Gegen halb sieben wird an meine Tür geschlagen, als stünde die Polizei draußen und vermute im Zimmer einen ausländischen Drogenkurier. Auf meinen gekrächzten Einwand hin, noch im Halbtraum, wird das Klopfen nicht weniger. Ich brauche, bis ich mich aus dem Doppelbett, auf dem ich meine Habseligkeiten verteilt habe gewälzt, mir was angezogen und die Ameisenstraße überwunden habe, dann öffne ich und draußen steht ein Mann mit einem Bügeleisen in der Hand. Er reißt die Augen auf und bringt unter einigem Ducken ein Oosoooiii hervor, das heißen soll: Oje, falsches Zimmer. Oder: Mein Gott, wie schaust du denn aus?? Heute ist aber ohnehin mein letzter Tag in Saigon und ich nehme den zärtlichen Weckruf, um mir einen letzten Tagesplan zurecht zu legen und zu packen. Als ich mit dem Koffer die fünf Stockwerke hinunter poltere erwische ich gerade noch die letzten Minuten einer Hochzeit, die im Foyer des Hotels stattfindet. Schon am Vortrag war dekoriert worden, weiß und rot und jetzt ist mir ein Blick auf die Braut gegönnt, die von ihren Brautjungfern zum Gruppenfoto geführt wird, an der Hand ihren jungen amerikanischen Bräutigam, der in seinem weißen Gewand aussieht, wie ein Prinz.
Ich probiere es mit dem Wiedervereinigungspalast, erwische aber die falsche Straße (hochmütig: nein, ich muss nicht auf den Plan schaun. Bin da inzwischen schon dreimal gegangen) und komme an einer Straße entlang, wo vom Tennisschläger bis zum Laufband alles verkauft wird, was das Sportlerherz begehren kann. Die Straße zieht sich, ich muss um den Kulturpark herum und dann, auf der hinteren Seite, springt ein alter Mann von Moped und macht mir klar, dass der Palast gerade Mittagspause hat, aber er mich gerne für eine Stunde herumchauffieren würde. Ich glaube ihm zwar, gehe aber trotzdem vor zum Eingang, wo sieben oder acht seiner Kollegen herumschwirren und freudig die anderen Touristen über die Öffnungszeiten informiert. Da ich keine Lust auf eine Fahrt am Moped habe, mache ich es mir im anschließenden Park auf einer der schönen Gußeisenbänken bequem, den Rucksack mit der Reisekassa unter dem Kopf und schaue von dort in die Blätterkronen. Die Franzosen haben die Bäume damals gepflanzt, jetzt sind sie hoch und kräftig. Die Stunde bis zur Öffnung verträumt sich ganz wunderbar in der grünen Insel, umschwemmt vom Mopedlärm und der Erkennungsmelodie der fahrenden Eisverkäufer.
Der Palast ist ein wichtiger historischer Schauplatz und ist heute mit den kommunistischen Fahnen geschmückt. Hier ist 1975 der Vietnamkrieg beendet worden, als Nordvietnamesische Panzer die Tore durchbrachen. Gebaut wurde er 1962, nachdem der ursprüngliche Palast von zwei Piloten bombardiert und zerstört wurde; ihr Bild hängt jetzt im neuen Palast.
Er ist ein Misch aus Stilelementen der 60er Jahre einer westlichen Kultur und alten traditionell asiatischen Formen. Staatsleute wurden hier empfangen, neben den Bankettsälen gefallen mir die geraden Formen und die Opulenz dazwischen, durch die Räume geht der warme Wind, die Orchideen und Lilien sind frisch.
Wer den Palast besucht, sollte aber den Bunker nicht auslassen. Er ist ein Labyrinth aus hellen Gängen, immer wieder tauchen winzigste Räume auf, mit Tisch und Telefon. Von hier aus wurde Krieg geführt und die Geschichte scheint in jeder Ecke gegenwärtig.
Meine spätere Idee, mit dem Bus zum Flughafen zu fahren, erweist sich auch als gut, Linie 152 fährt vom Markt weg und kostete mich samt Gepäck 20.000 Dong (ca. 60 Cent). Vom Flughafen in die Stadt haben ich mit über zehn Dollar ein Vielfaches gezahlt. Am Domestic Terminal des Flughafens dann bin ich erstaunt über das Angebot. Ich könnte mich ordentlich mit Süßigkeiten eindecken (neben Rittersport auch Ricola oder M&Ms), Kochplatten ausprobieren, Abendessen oder tiefgefrorene Fische kaufen. Zeit genug bleibt, das Angebot auszutesten, denn am Gate der Jetstar Airline passiert nichts. Fragen, wann man denn ungefähr mit dem Abflug rechnen könne werden mit einem knappen 10 minutes abgetan, dann dauert es aber doch eine ordentliches Eck länger. Als das Flugzeug endlich abhebt, hätte ich schon längst in Danang sein sollen. Es ist nach elf, als ich lande, und kaum bin ich im Freien wird mir ein Taxi zugewiesen. Ich fahre Richtung Hotel, wo mich der Fahrer aussteigen lässt und mehr verlangt, als das Taxameter anzeigt. Als Grund gibt er lächelnd an, dass er mich schließlich vom Flughafen abgeholt habe und mein Einwand, dass es nicht meine Schuld sei, dass er dort hingefahren ist, kommt auf Deutsch, weil es ohnehin absolut belanglos ist. Als er davonfährt, wird mir bewusst, dass das Hotel zugesperrt ist, die Rollbalken sind verschlossen und ich stehe alleine am Rand der Stadt mit meinem Koffer und großem Hunger. Nach ein paar wenig motivierten Schritten um das Hauseck erbarmen sich dann doch ein paar Männer, die zufällig in der Nähe waren und einer rüttelt am Rollbalken woraufhin ich gnädig eingelassen werden, zum Glück, ich habe mich schon auf der Straße schlafen sehen.
Dass das Bett dann nicht viel weicher ist, als es der Asphalt gewesen wäre, dass ich mich wie ein Elefant mit der kalten Kübeldusche abgieße und im Bad das Fenster nicht zugeht, dass es sich anhört, als würden noch vier andere in meinem Zimmer Karten spielen weil statt einer Lüftung ein quadratisches Loch in der Wand ist und dass ich eigentlich kein Trinkwasser mehr habe, aber nicht mehr hinaus kann hebt meine Stimmung nicht gerade. Zum Glück habe ich eine Notration dabei, einen zerdrückten Apfel und eine Karotte aus Wien, beides besiegelt meinen unfreiwilligen Halbfastentag.