Am Morgen sind die Möwen vor dem Fenster und schrauben ihr Gekreische hoch. Wie spitze Schiffe fahren sie durch die blaue Luft und drehen den Kopf, wenn unter ihnen etwas auftaucht, wofür es sich zu landen lohnt. Es ist schon so bald hell.
Dabei war der Sommer bisher bescheiden, hier heroben, welcher Sommer denn überhaupt? Der überraschend warme Tag lockt deshalb die Leute in die Gassen und macht Farben; die Räder glänzen und in den Malven am Gehsteigrand leuchtet es.
Vor den Cafés gibt es endlich wieder kurze Hosen und Kleider ohne Strümpfe, Kinderwägen die einarmig geschaukelt werden und Hunde unter den Tischen.
Die Søndergade ist von beiden Seiten geschwemmt, vor der Domkirche sind die Bänke einzeln besetzt. Dort vor der Kirche kann man sitzen und zuhören, was die Stadt zu erzählen hat. Einzelne Gesprächsbrocken kommen von den Vorbeigehenden, und denen, die sich ein Eis geholt haben herübergetorkelt und klingen nach verbogenen Endsilben.
Weiter unten breitet sich das mächtige Dokk1 aus. An seinen Rändern beschäftigen sich kindliche Seelen in den Spielinseln, die Kontinente repräsentieren und überdimensioniert begeistern, innen sind die Bücher in der ausladenden Architektur gefasst.
Mit dem Abend rollen Wolken über den Himmel, ihre Bäuche sind unstet grau und die Möwen rufen aufgeregt nach dem Regen. Im Wald wird es düster, vom Boden auf dampft das Erdreich durch die Buchenblätter, dazwischen sind die Jogger unterwegs und laufen, als ginge es um ihr Leben.
Ich halte mich in der Mitte der Wege, nur um niemanden vor die Beine zu kommen und ziehe die Schultern ein, wenn sich das Getappe und scharfe Atemholen nähert. Da, wo sich der Riis Skov wieder lichtet, ersetzen zaunlose Gärten die Backsteinbauten, dahinter Einfamilienvillen. Wenn nicht in einiger Entfernung das Abrollgeräusch von Autoreifen die Stille bricht, ist alles, was in der Luft hängt, das Gegurre der Ringeltauben. Vor einem der Häuser ist gemäht worden, es riecht nach Rasenschnitt und warmen Waffeln.
Am Ende der Wege, die auf der Karte nach rechts führen, liegt dann endlich der Kiesstrand; und das Meer und die Meerwolken sind Eins. Einzelne Schwimmer ziehen durch das Wasser, parallel zur Uferlinie, in den Steinen hängen getrocknete Algen und Muschelfragmente. Gleichmäßig läuft die Wellenkante über den Kies, in kurzen Abständen, wie das Atmen eines Schlafenden.
Weit draußen brummt eine Donnersalve, dann kommt der Regen aus den Stahlwolken. Er ist warm und schwer und hält die Jogger nicht davon ab, ihre Langstreckensprints fortzusetzen.