
April ist der Freund, der eine Gartenparty plant aber eine Stunde vorher alle Gäste auslädt, es sich dann doch anders überlegt und anruft, um zu sagen: kommt doch. Und kaum sitzt man zusammen, geht er, weil er eigentlich niemanden sehen will.
Am Rollfeld in Vilnius, auf dem Weg zwischen Fokker und Flughafenbus reißt er sich noch zusammen, aber kaum aus dem Flughafen heraußen, bricht der Himmel. Neben den Randsteinen bilden sich gewellte Bäche und die Gehsteigunebenheiten füllen sich. Die Autoscheiben beschlagen von innen.

Trakai liegt an dem Tag ungestört, nur wenige Besucher halten ihre Regenschirme in den Wind und warten auf die kurzen Sonnenfenster, um eifrig Fotos zu machen. Was ich nicht weiß, wird aus der Touristmusseite gecopy-pasted: Die Ufer der Halbinsel, auf der die Stadt liegt, werden von den Seen Galvės, Totoriškių und Bernardinų (Lukos) umspült. (hier war ein Poet am Werk, das lässt sich am Wort „umspült“ erkennen) Diese, für ihre wunderbaren Landschaften und die legendäre Burg Trakai bekannte Stadt war einstmals die Wiege des Staates Litauen und seine Hauptstadt; ein wichtiges militärisches und politisches Zentrum und Sitz der Großfürsten Litauens.
Der Großfürst ist noch immer in der Burg zugegen; als berobter CGI Effekt erzählt er von einem Flachbildschirm herunter über die Geschichte der Burg und des Landes. Ihm gegenüber checkt eine der Aufpasserinnen ihre Mails, unberührt von seiner sonoren Stimme.

Die Räume der Burg sind beheizt und heimelig. Im Innenhof freuen sich versprengte Mitglieder russischer und deutscher Reisegruppen, dass sie von den Holzbalustraden aus Fotos von ihren weniger gehfreudigen Reisekompanions machen können, die sich unten versammelt halten. Wenn sie sich gegenseitig entdecken, wird mit Regenschirmen gewinkt, dann wandern die Gruppen in den Thronsaal und sitzen andächtig in den Bankreihen. Es gibt keinen König mehr, der Audienzen halten könnte und auch keinen CGI-Fürst, die Hochwohlgeborenen muss man sich selbst vorstellen.
Weil draußen der April weiterhin sein Tantrum schmeißt, ist das wasserburgeigene Museum doppelt so spannend. Hier gibt es Aristokratenschätze und Gebrauchsgegenstände, außerdem ist eine Meerschaumpfeife mit wildem Pferdekopf ausgestellt, die in der Wiener Mariahilferstrasse verkauft wurde. Ich mache in einem Akt bezirksübergreifender Loyalitätsbekündig ein Foto:

Nachdem alle Objekte, die sonst noch aus der k. u. k. Monarchie stammten, identifiziert wurden (u.a. ein Bett mit Schnitzereien und Rüschendecke), geniert sich der April ein bisschen für sein Benehmen und entschuldigt sich mit einem halbherzigen Regenbogen.

Am Abend sind die Straßen der Hauptstadt ausgewaschen und kalt. Hungrige auf der Suche nach Labung ziehen die Schultern an die Ohren; wenn es nicht regnet, bläst der Wind Tropfen von den Dächern.

In einen Hauseingang gedrängt stehen zwei Junge und machen Musik. Sax und Gitarre beruhigen den übellaunigen April aber nur kurz. Ein alter Obdachloser tanzt und fischt nach den Schirmen der Vorbeigenden in seinem hypnotischen Impulsrondo, dann packen die Musiker zusammen und der Alte wartet mit den Händen in den Taschen, was passiert.