Amerika Film

Für all jene, die sich durch den Reisebericht geschmökern haben und ihre Fantasie in Bildern bestätigt sehen wollen – ein 9 min. Film von den schönsten Orten!

(Und natürlich auch für alle, die sich nicht durch die Wortwülste kauen wollen, aber trotzdem Lust auf Fernweh haben:-))

Tag 27 New York – Wien

Der letzte Tag in den USA. Der Morgen ist schwül und warm, wie die vergangenen Tage. Nur einmal hat ein starker Regenguss über den gelben Himmel gewaschen, sonst blieb es sonnig. Die Met steht strahlend im Mittagslicht, vor dem Brunnen lassen sich Ballettmädchen fotografieren, dort wollen sie einmal hin.

Ein besonders seltsames Gebäude ist das Flat Iron Building. An einer Seite läuft es spitz zu, und steht da, als könnte es jeden Moment zur Seite kippen.

Im Central Park ist am frühen Nachmittag einiges los, Kutschen, Räder, Rikschas und LäuferInnen sind unterwegs, auf einer Bühne wird ein Jazzkonzert gegeben und an einem anderen Ort haben sich RollschuhfahrerInnen versammelt, um gemeinsam zur Musik eines DJs zu fahren und zu tanzen. Um den Rollschuhplatz haben sich Schaulustige versammelt, sie sitzen auf den flachen Steinen und wippen mit den Köpfen im Takt.

Auf den Liegewiesen baden Hunderte in der Sonne, dahinter erhebt sich eine Wand an Wolkenkratzern. Sie sehen aus, wie hineingezeichnet.

Das Taxi, das uns aus Manhattan bringt, ist ein Grand Marquis, ein letzter Seitenhieb, und er schaukelt durch Schleichwege, über die Brücke nach Queens und schließlich zum Terminal 4 des JFK Airports, der so groß ist, wie eine Stadt. Ab jetzt beginnt das Warten, das Herumsitzen, Taschen-kontrollieren-lassen, das Parfumtesten im Dutyfree und das auf Anzeigetafeln-Starren. Keine Verspätungen. Sechs Stunden nach London, wieder das gleiche Spiel, weitere zwei Stunden, dann ist man wieder in Wien, wo das Wetter gnädig ist. Die Zeitverschiebung nimmt man nicht wahr, weil man ohnehin streichfähig ist. Die Eindrücke des letzten Monats bleiben noch im Kopf sitzen, wie funkelnde Steinchen, und man holt sie vorsichtig heraus und bestaunt sie von allen Seiten.

Tag 26 New York

Um Manhattens Skyline sehen zu können, bietet es sich an, von draußen herein zu kommen, über die Brooklyn Bridge. Leider ist es heiß, so heiß, dass sich alle, die über die Brücke komme, den Schweiß von den Stirnen wischen und nur wenig Freude daran haben, an der Brüstung zu lehnen. Hinunter sieht man kaum, denn die Straße für die Autos verläuft direkt unter der Fußgängerbrücke, außerdem wird gearbeitet und dafür sind Planken aufgestellt worden. Die Blicke, die auf die Hochhäuser fallen, sind dennoch beeindruckend, die Stadt steht da wie hingemalt. Auf dem bronzenen Schaubild in der Mitte der Brücke ist das World Trade Center noch eingezeichnet. Jemand hat R.I.P darüber geritzt.

Im Schatten des Washington Parks liegen Leute unter den Bäumen und sehen dem Treiben im Brunnen zu. Die Fontaine ist wie das Licht für Fliegen, Kinder stehen gebadet im Wasser und Erwachsene halten die Füße in die Abkühlung. Ein Mann badet sich sowohl im Wasser als auch in der Aufmerksamkeit der anderen. Unter dem Triumphbogen des Parks spielt ein Student auf einem Klavier, die Musik weht bis zu der Gruppe von Trommlern, die etwas weiter weg sitzen.

Die beste Sicht auf die Stadt bekommt man aber erst, wenn man sich nach oben begibt, hinauf, hinauf. Das Rockefeller Center hat hierfür in einem der vielen Türme, dem GE Tower (zweitgrößtes Hochhaus New Yorks) eine Aussichtsplattform errichtet. Von Top of the Rock aus überblickt man – wie ein Kapitän das Meer – die Häuserschluchten und silbernen Hälse, die sich rund herum aufrichten und nach oben blinzeln, dazwischen der Central Park, ein grüner Teich. Ist das Licht richtig, fühlt man sich ein wenig wie eine Taube, die hochgetragen wurde, oder wie ein Adler, für diejenigen, die mit Tauben nichts anfangen können.

Der Broadway ist unglaublich lang, er zieht sich durch halb Manhattan, nur da, wo er die 42th Street schneidet, wird er für TheaterliebhaberInnen interessant. Selten hat man so viele Stücke auf einem Haufen und am Abend, wenn die Vorstellungen gegen elf Uhr enden, strömen aus den verhältnismäßig kleinen Ausgängen auf einmal Massen an beschwingten TheaterbesucherInnen.

HAIR spielt es im St. James Theater, in einer Seitengasse zum Broadway, der 44th, und es wird eine Lottery um die ersten beiden Reihen veranstaltet – das heißt, man gibt seinen Namen an und kann, wird man gezogen, zwei Karten um jeweils 27 Dollar kaufen. Dionysos war uns hold und ließ uns Tickets für die erste Reihe Mitte gewinnen, eine dritte Karte auch nicht weit entfernt gab es noch dazu, damit wir alle einen schönen Abend hatten. Hair hat für mich eine lange Geschichte und ich habe es mit dem Wahnsinn einer Vierzehn bis Sechzehnjährigen im Raimundtheater verfolgt. Deswegen wusste ich auch, dass Berger gleich zu Beginn des Stückes mit den Leuten der ersten Reihe redet – neu war, dass er meine Mutter als die Seinige erkannte – wow, my mum is here – und umarmte. Die Tatsache, dass sie aus Austria kommt sorgte für freundliches Gelächter im Publikum. Durch die späten Sechziger getragen verging der Abend in einem Taumel an Farben und Melodien, am Schluss wurde Let the Sunshine in gegeben, während das Publikum, soweit die Kapazität dafür da ist, auf die Bühne darf um mit den DarstellerInnen zu tanzen.

Nachher gab es noch ein Foto mit Mamas neuem Sohn, Steel Burckhardt aka George Berger. Die Straßen rund um den Times Square sind immer noch voller Menschen, die den Trubel suchen und im Licht der Reklamen der Nacht entkommen wollen.

Tag 24 New York

Um mit den drei Stunden Zeitverlust, die man auf der Strecke von San Diego nach New York hatte, umgehen zu können, schläft man länger. Der Morgen beginnt geruhsamer, schon alleine deswegen, weil es früher Nachmittag ist, als wir endlich auf die Straßen hinaus kommen.

Mit den Ubahnen kommt man schnell voran, angenommen, sie kommen sofort. Die Wartezeiten sind um einiges länger, als von Wien gewohnt, dafür ist es möglich, mit manchen Linien besonders flott weiter zu kommen – es sind Expresslinien, die nur an bestimmten Stationen halt machen. Nicht alle Züge sind klimatisiert und die, die es nicht sind, werden zu Riesensaunas, in denen die Menschen schwitzen und mit ihren Zeitungen oder Händen fächern, die Augen rollen und mit ihren Sitznachbarn darüber schimpfen, dass es unerträglich ist. Und das ist es wirklich.

Das Stephen A. Schwarzman Building, eine der vielen Public Libraries, liegt neben einem Park, in dem auf einer Bühne eine Ballettaufführung geübt wird, ohne Musik, nur die Lehrerin steht in buntem Fummel unten und ruft hinauf one and two, three, four, don’t look down!, five and six-, in der Bibliothek drinnen ist es leise, trotz der vielen Touristen, deren Taschen durchsucht werden, beim Hinein- und Hinausgehen.  In einem Flügel, zwischen den Büchern über Englische und Amerikanische Literatur, sitzen Leute, die tatsächlich lesen und arbeiten, und welche, die in einer Hand den Fotoapparat und den Stadtplan haben, einen Einkaufssack von Juicy Couture oder Hollister oder Aeropostale um das Handgelenk, die Füße heiß in den Sneakers. Sie starren gegen die aufwendige Deckenkonstruktion und denken wahrscheinlich an etwas ganz anderes.

In der Grand Central Station herrscht wieder nervöses Treiben, hier kommen Züge und Subways zusammen, die Menschen, die es eilig haben, woanders hin zu kommen und die, die herumstehen um Fotos zu machen, um Geld zu erbitten, um Werbung zu machen, um auf jemanden zu warten.

In New York ist es auch möglich für den New York Athletic Club einen Jahresbeitrag von beinahe achttausend Dollar zu verlangen und den Mitgliedern Kleidervorschriften zu machen. Wer nicht in Hemd und langer Hose kommt, darf nicht beim Haupteingang herein. An Mitgliedern mangelt es dem Club, der aus einem ganzen Hochhaus besteht, trotzdem nicht.

Chinatown liegt im Südosten von Manhatten und verspricht dem Reiseführer nach, bunt und aufregend zu sein, nirgendwo sonst im Westen leben so viele AsiatInnen in einer Stadt. Zur falschen Zeit dort, spät Abends nämlich, ist die Canalstreet, die nach Chinatown führt, schmutzig vom Tag. Neben dem Ubahnaufgang bieten Männer Prada und Guccitaschen um zwanzig Dollar, weiter in dem Viertel ist dann gar nichts mehr los. Die Rollläden sind heruntergezogen und die wenigen Shops, die noch offen haben, verkaufen Uhren, Parfums, Taschen und Kinderspielzeug, alles in einem kleinen Raum, zu billigen Preisen. Um dreiundzwanzig Uhr machen auch die meisten Restaurants dicht, dann schläft Chinatown.

Tag 23 New York

Schon die Fahrt vom Flughafen in die Stadt wird zur Geduldsprobe. Der Frühverkehr ist unausgeschlafen und grantig, er hupt, drängt und faucht durch die Straßen, beißt Fußgänger in die Knöcheln und heult an jeder Ampel verzweifelt auf. Von der Ruhe der West-Coast ist nichts mehr zu spüren, alles rennt, was nicht gerade in einer Schlange steht.

Die Gerüche drängen sich auf, um jede Ecke ein neuer. Gerade wird der Müll abgeholt, die schwarzen Säcke reißen und ihr Inhalt rinnt über die Ecken des Mistwagens, Melonenschalen und Fischköpfe, am nächsten Eck mischt sich der Geruch von frischen Bageln mit dem von heißen Hot-Dogs, aus einer Wäscherei dampft Weichspülerduft, dann wieder schießt aus einem Ubahnschacht der holzige Schmierölgestank, der sofort vom Abgas der Autos vertrieben wird.

Die Orte, die Touristen aus Filmen kennen, sind heillos überfüllt, der bronzene Bulle der Wallstreet wird zugedeckt von japanischen Gästen, die 5th Avenue wird bevölkert von einem Menschenband, das sich in beide Richtungen schiebt und an den Enden, wo Geschäftseingänge sind, ausfranst. Dazwischen sind Businesspeople, Leute, die hier wirklich etwas zu tun haben und nicht nur auf Sightseen aus sind, sie sind herausgeputzt, in Anzug, Hemd, Krawatte, Bluse, Rock und Stöckelschuhen, einen Kaffee in der einen Hand, das Handy und die Zigarette in der anderen. Sie verschwinden in Häusern, die sich oberhalb der Straßen zueinander neigen zu scheinen, Glas-, Metall-, und Steinbauten, immer höher und immer kühler.

Bei Tiffany’s denkt man natürlich an Audrey Hepburn und man muss hinein. Hier wird tatsächlich viel gekauft, nicht wie in den Nobelhäusern am Wiener Kohlmarkt, wo in erster Linie von draußen hineingeschaut wird, auf Anfrage erhält man den Katalog mit den Preisen. Junge Pärchen sitzen beieinander und suchen sich Hochzeitsringe aus, Touristen nehmen sich Kettenanhänger mit oder lassen sich Armbändchen in die türkisen Taschen packen.

Gleich gegenüber, im Abercrombie & Fitch stehen Leute in einer langen Schlange, um in den Flagshipstore zu kommen und im Eingangsbereich ein Foto mit dem männlichen Model zu machen, das mit nacktem Oberkörper posiert.

Wenn es finster wird, wird es am Broadway hell. Die Leuchtanzeigen überstrahlen sich gegenseitig und tauchen die Straße in gelb, rot, blau. Da so viele Menschen unterwegs sind und dazwischen die Taxis und Fahrräder unterwegs sind, beginnt man aus einem seltsamen Selbstschutz heraus, sämtliche Körperfunktionen auf Atmen und Schauen zu reduzieren. Die Füße bewegen sich dorthin, wohin auch alle anderen laufen, der Blick wird gelenkt von Werbungen und den schnell herannahenden Gefahren wie Taxis, das Denken löst sich auf in einem Nebel des Staunens.

Man kann von Glück sprechen, wenn man in eine der Seitengassen geschwemmt wird und sich zumindest fragt, wo man denn nun sei, anstatt der Masse nachzutrudeln. Von dem Ubahnabgang am Time Square verschluckt endet zwar der Straßenlärm, nicht aber das Chaos. Neben einem Beatboxer rollen die Züge ein und kreischen ihr Hallo, das Rumpeln der Drehkreuze im Hintergrund und die Durchsagen verschlagen mir die Ohren. Noch im Hotelzimmer, vergraben im Queensizebett, dröhnen die Eindrücke des Tages weiter.

Tag 22 Tag San Diego – N.Y.

Der Balboa Park wurde für die Panama Exhibition 1914-1917 erweitert, täuscht aber darüber hinweg und vermittelt eher den Eindruck, seit vielen hundert Jahren schon gewachsen und gepflegt worden zu sein. Hier spaziert man zwischen den Museen, die in den spanischen Gebäudekomplexen angesiedelt sind, oder lehnt an einem der Teiche, in denen riesige weiße und gefleckte Koi ihre Schnauzen an die Wasseroberfläche stoßen. Der San Diego Zoo ist ebenfalls im Balboa Park und täglich pilgern Tausende hin, um die Tiere zu bestaunen, am Parkplatz stehen die Autos schon am Vormittag zu dicht, dass keine Freiflächen mehr bleiben.

Wir trennen uns von dem Chrysler, der uns viele Stunden durch Kalifornien, Utha, Arizona und Colorado kutschiert hat und lassen ihn am Flughafen in San Diego stehen. Der Flug nach New York geht um 22:10, die Stimmung am Terminal ist ruhig, einige sitzen mit überschlagenen Beinen, die Köpfe schon schwer, andere stehen noch an den letzten geöffneten Geschäften und lesen Zeitschriften.

Sobald das Flugzeug in der Luft ist, entspinnt sich unten ein Lichternetz, das den ganzen Flug über nie richtig abreißt, nur mehr oder weniger zerklüftet. Gegen zwei Uhr Früh ist ein Wetterleuchten zu sehen, das über den halben Himmel geht und es sieht bedrohlich und schön aus. Die meisten Passagiere haben ihre Leselichter abgedreht und versuchen zu schlafen, dazu haben sie die seltsamten Stellungen eingenommen. Der Sonnenaufgang weckt sie dann gemeinsam mit dem Rumpel des Fluges. Um kurz nach sechs Uhr früh empfängt mich New York.

Tag 21 San Diego

Das Leben beginnt gemächlich, in San Diego. Am Vormittag stehen die Türen der Geschäftslokale offen zum Lüften und am Gehsteig unterhalten sich Menschen mit Besen in den Händen.

Vor der Stadt liegt die Insel Coronado, eine Idylle der Reichen, wo sich die Gärten der Villen aneinander schmiegen und jedes Haus scheinbar mit dem Wunsch gebaut wurde, den eignen Stil zur Vollendung zu bringen. Es gibt kein einheitliches Aussehen, sondern eine Vielfalt an Villen, deren ArchitektInnen mit einem ordentlichen Budget ausgestattet worden waren. Der Strand breitet sich weit und weich aus, für die Lifeguard ist eine eigene Strecke freigehalten, über die sie mit ihren gelben Jeeps rollen. Im Wasser, das an die achtzehn Grad hat, stehen Menschen bis zur Hüfte und ziehen die Bäuche an, wenn eine Welle kommt. Plötzlich deuten sie nach draußen, ohne große Aufregung und ich sehe Delfine, zwei oder drei. Ihre Finnen kommen den Badenden nahe, nur die Bahn einer Welle ist zwischen ihnen. Sie ziehen weiter.

Am Strand suchen die Möwen, die groß sind, als kämen sie aus einem Hitchcockfilm, nach Badestätten, welche von ihren Besitzern verlassen wurden. Entdecken sie ein Handtuch, auf dem eine Tasche steht, kommen sie näher und recken die Hälse, umrunden die Tasche bis sie die Papierverpackungen ausmachen, in denen Bagels stecken, oder Muffins, dann greifen sie an und zerren so lange, bis sie haben, was sie wollen. Ein ganzes Rudel ist es dann an Vögeln, die es plötzlich eilig haben, handtellergroße Brocken Brot davon zu tragen oder, noch besser, sofort zu verschlingen. Meistens kommen die Badenden noch rechtzeitig um zu sehen, wie ihr Mittagessen im Sand verteilt und mit triumphierendem Kreischen verschleppt wird.

Das Hotel del Coronado ist ein Schloss am Strand, mit eigenem Kräutergarten und einer Geschichte, weil es im amerikanischen Maßstab ziemlich alt ist. 1888 gebaut war es von Beginn Gaststätte für die Reichen und Berühmten, L. Frank Baum schrieb hier sein Wonderful Wizard of Oz und Marilyn Monroes Some Like it Hot wurde 1958 hier gedreht.

Das Old Town von San Diego ist zum Teil ein Freilichtmuseum, das Einblick gibt in die Geschichte der Stadt. Wells Fargo zeigt einige Postkutschen und hinter Glas kann man Morsemaschinen und Goldnuggets bestaunen, am Hauptplatz kommt aus den Restaurantgärten mexikanische Musik und der Geruch von Burritos und Käse, kurz muss man überlegen, ob man noch in den USA, oder doch vielleicht schon 30 Meilen südlich, in Mexiko ist.

Tag 20 Lake Havasu – San Diego

Der Weg geht durch das Mojave Desert nach Südwesten, und die Fahrt dauert lang. Die Eintönigkeit hinter der Autoscheibe ermüdet, das Navigationsgerät gibt Angaben wie in 90 Kilometern links abbiegen, und die Sonne brennt durch das Seitenfenster. Ein heller Streifen ist die Straße, schnurgerade durch die steinige Umgebung, dann macht sie einen Knick und verläuft sich wieder in einer Linie im Horizont. Es gibt eine Bahnstrecke, die teilweise parallel zur Straße läuft und aus irgendeinem Grund haben sich Menschen hier her verirrt und Namen, Sprüche und Symbole mit schwarzen Steinen in den Sand des Bahndamms geschrieben. Ein seltsamer Anblick, denn hier gibt es sonst nichts, so weit man blicken kann, keine Häuser, keine Open Ranches, kein Vieh, das durch die Gegend zieht. Nur von Bergen umgrenztes Braun.

Das Mojave Desert ist eine Regenschattenwüste und das klingt wie ein Gebiet aus der unendlichen Geschichte. Es bedeutet, dass sich die Regenwolken vor den Bergen stauen und der Regen so gut wie nie bis in das Wüstenbecken vordringen kann. Die ganze Größe der Wüste, zu der auch Las Vegas gehört, ihre umfassende Zähigkeit offenbart sich hier. In der Nähe des Joshua-Tree-Nationalparks beginnen Siedlungen, flache Häuser, die auf einmal in die Wüste gestreut sind und das Elend eines Ghettos reflektieren, manche noch bewohnt, manche verfallene Haufen an Pressspanplatten und Plexiglas.

Ein Großteil der Bewohner dieser Siedlung ist Navajo, oder Diné, wie sie sich nennen, und wirft man einen Blick auf die Geschichte dieser Volksgruppe, verwundert es, dass es überhaupt noch Diné in dem Land gibt. Immer wieder wurden sie vertrieben, umgesiedelt, die Regierung erschoss ihnen einen Großteil des Viehs, als die Stückzahl zu hoch für das Land wurde, und das war in den 1930ern und 40ern, 1974, als es zu Streitigkeiten zwischen den Diné und den benachbarten Hopi-Stämmen kam, verabschiedete die Regierung ein Gesetz, das dazu führte, dass fast 12.000 Diné ihr Land verlassen und in gestellte Wohnungen umziehen mussten. Heute leben an die 300.000 Diné in Nordamerika und trotzdem scheinen sie eine sozial wenn auch nicht belächelt, so aber bestimmt schwer benachteiligte Volksgruppe zu sein. Dabei leben sie seit etwa 900 n.Ch. in Amerika.

Der Joshua-Tree ist eine Yucca, die riesig wird und in meinen Augen nicht mit Schönheit besticht, trotzdem ist ihr ein ganzer Park gewidmet. Sie gedeiht in der steinigen, warmen Gegend bestens und steht zottig zwischen anderen Überlebenskünstlern der Pflanzenwelt.

Kommt man nach San Diego, spürt man den Wind, der aus Mexiko heraufweht, bildlich gesprochen. Die Hälfte der Radiosender spielt plötzlich spanische Schlager und Werbungen am Straßenrand sind zweisprachig oder nur Spanisch gehalten.

Die Comic Convention endete vor einem Tag, trotzdem sind Captain America, Hulk und Spiderman allgegenwärtig, in den Auslagen verschiedenster Shops liegen noch Comicmagazine, die Besucher der Comic Con anlocken sollten.

Das Nachtleben beschränkt sich auf das Gaslamp-Viertel und spielt sich auf der Straße vor den Lokalen ab, bei einer Temperatur von fünfundzwanzig Grad sind die Röcke immer noch sehr kurz gehalten, zwischen einer Karaoke Bar und einem Mexikaner stehen vier Türsteher und schwitzen in ihren Anzügen. Einige Gassen weiter schlafen Menschen in Hauseingängen, manche haben sich dafür kleine Nester aus Decken und Kleidung gebaut, die Hunde an den Körper geschmiegt, andere liegen am nackten Beton, eine Hand notdürftig unter der Schläfe.

Tag 19 Grand Canyon – Lake Havasu

Vom Grand Canyon aus geht es weiter nach Süden und die Temperatur steigt wieder über 40°C. Wir fahren die Route 66, die historische Straße, die 1926 eröffnet wurde, und seit der Errichtung des Highway Systems 1985 keine große Rolle mehr spielt. Damals war sie die Verbindung von West nach Ost, 3945 Kilometer ist sie lang. Heute fährt kaum jemand die einspurige Straße entlang, zumindest nicht zwischen dem Grand Canyon und Kingman und die Orte, die das Pech haben, an ihr zu liegen, schrumpfen und sterben dahin.

Seligman ist ein Ort, gleich neben der Autobahnausfahrt 123 in die Route 66 und er lebt davon, dass sich Touristen hier her verirren. Eine einzige Familie betreibt hier den Eissalon und den Souvenirshop, die Garage und wahrscheinlich auch die Tankstelle, und es wird gesammelt, was von damals übrig ist. Alte Autos und Nummerschilder, Tanksäulen und Cola Automaten, Bilder von Elvis, James Dean und Marilyn Monroe lachen aus den Fenstern des ehemaligen Friseursalons, der jetzt gepflastert ist mit Visitenkarten und Geldscheinen aus aller Welt, von all denjenigen, die hier vorbei kamen und Lust hatten, sich zu verewigen.

Der Schwiegersohn der Familie aus Seligman begrüßt uns, als wir in das Souvenirgeschäft kommen und fragt sofort, woher wir sind, dann erzählt er, dass seine Urgroßeltern aus Tirol kamen. Sie hatten sich auf Reisen in Mexiko kennen gelernt.

Weiter gibt es Orte, die Namen haben wie Valentine, und aus drei oder vier Häusern bestehen, dazwischen kommt man aber auch an Gebieten vorbei, die keine Ortstafeln mehr besitzen, Tankstellen aus denen Bäume wachsen und Tanzhäusern mit vernagelten Fenstern.

Am Ende des Abschnittes der Route 66 ist ein anderer Ort, Hackberry, diesmal gibt es überhaupt nur ein Grundstück, auf dem sich alte Autos und Erinnerungen an die 50er und 60er häufen, etwas unheimlich wird es trotz der Hitze und der Sonne, hinter dem Tankstellenhaus, in dem Tshirts verkauft werden und Kleinigkeiten zu essen, denn dort hat sich die Sammelleidenschaft zu einem rostigen Chaos entsponnen, die beiden Häuser haben eingeschlagene Scheiben und in dem Abschnitt, der einmal ein Blumenbeet war, liegen weiße Kuhschädel.

Lake Havasu liegt zwischen Arizona und California, er ist Teil des Colerado Rivers. Die Menschen, die nach Lake Havasu City kommen, oder hier leben, befahren den See mit Speedbooten, es schwimmt kaum jemand, als es Abend wird. Es hat immer noch knapp über vierzig Grad. Der Strand ist gepflegt, mit überdachten, einbetonierten Bänken und Tischen, eigenen Grillplätzen und einem Schwimmbereich, der von Schlingpflanzen befreit wurde. Trotz der hohen Temperatur des Wassers, es hat 28°C, sieht man auch an tieferen Stellen bis zum Grund, wo Muscheln zwischen flachen Steinen liegen. Am Rücken dahin treibend bildet der Himmel ein Oval, das auf einer Seite feurig wird, bis die Sonne untergeht. Am Ufer tauchen Vögel auf, und zierliche Hasen suchen nach Futter.

Tag 18 Monument Valley – Grand Canyon

Viele Möglichkeiten zu übernachten gibt es im Monument Valley nicht, die meisten kommen am frühen Morgen mit verstaubten Autos in den Park gefahren. In den 50ern entdeckte Hollywood die Gegend und machte sie zum Wilden Westen. John Wayne drehte vor Ort, in der Goulding’s Lodge, unserer Herberge, gibt es jetzt noch ein Filmset.

Der Weg geht weiter nach Süden, zum Grant Canyon, dem Meister der Canyons. Der Abriss, der sich plötzlich in der Landschaft auftut, ist unerwartet und so tief, dass man denkt, eher eine Filmkulisse, als tatsächliche Gegend vor sich zu haben.

Am South Rim, dem Rand der Canyons, führen gut abgesicherte Wanderwege entlang und der Blick wird immer wieder in die Schluchten eröffnet, unten windet sich der Colorado River wie ein kleines, silbernes Band.

Besucher gibt es hier viele, und diejenigen, die das beste Foto haben wollen, klettern an den Rand der Felsen, auf allen vieren, dann drehen sie sich um und grinsen unsicher in die Kameras. Aus dem Canyon erheben sich Kondoren mit nackten, roten Köpfen und ziehen über die Touristen hinweg.

Gegen Mittag ist es heiß, trotz der Höhe, und der Wald, der bis zum Rand der Schlucht gekrochen ist, duftet harzig. Am Abend füllt sich der Parkplatz von neuem und auch die Felsen werden bevölkert. Besucher kommen mit Decken, Getränken und Pizzaschnitten und hocken sich auf die harten, grauen Steine, den Blick über den Canyon gerichtet, als warteten sie auf den Beginn eines Konzertes, alle bemüht um den besten Platz.

Dabei ist es der Sonnenuntergang, dem entgegen gefiebert wird. Um 19:45 verschwindet der rote Feuerball hinter dem Plateau und die Menschen klatschen, dann packen sie ihre Sachen ein und steigen vorsichtig zurück. Der Parkplatz leert sich wieder.