Wien// Donauinsel

Wir haben uns eine Insel gebaut. Dort, wo vor fünfzig Jahren noch der Fluss in seinen Verästelungen über das Land geschwemmt ist, herrscht seit den 1970er Jahren Regulation. Die Hochwasserkatastrophen wichen dem künstlichen Damm, den Fahrradwegen und Grillplätzen, den 2 Millionen Bäumen und 3 Millionen, die das jährliche Donauinselfest bevölkern, den Hasen und Bibern und Schwänen, den Wildanglern und FKKlern, den gemauerten Tisch-Bank Ensembles und SonnenanbeterInnen und den Liebesnestern aus umgetretenen Gras. Auf der Donauinsel verschwindet die Stadt hinter den Silberpappeln.

to my dear english readers: all my days I will sing in praise of your forest, waters, your shining sand.

 

Wien//Würstelstand

Der ersten Fehler, den man begehen kann, ist Wurst zu sagen. In Wien heißt das Wurscht und hat gleich mehrere Bedeutungen. Wenn jemand mit der Schulter zuckt, den Kopf schieflegt und meint, das sei ihm wurscht, dann gibt er sich traktabel und will mit einem gewissen Thema nicht länger belästigt werden. Wenn aber jemand den Ellenbogen am Metalllehnbrett vom Würstelstand (also, pardon: Würschdlstaund) hat und meint, er hätte gern eine Wurscht, dann will er Frankfurter (nein! das ist keine Wiener!), oder Burenwurst oder eine Käsekrainer oder was ihm sonst noch den Cholesterinhaushalt zerstören könnte. Dass sich die Wiener Würstelstände inzwischen der Nachfrage gebeugt haben und zu Pizzaständen und Nudelständen und natürlich Kebabständen mutiert sind (oder zu suspekten Mischformen), tut der Tatsache nichts, dass sie Inseln der Nacht bleiben, an denen sich neben hungrigen Opernbesuchern Taxifahrer über die Schicht retten und wo das Partyvolk eine Grundlage für die noch zu folgenden Tropfen aufbaut. Und tagsüber werden hier diejenigen angeschwemmt, die eine allzukurze Mittagspause, oder niemanden zum Reden haben. Letztere finden ein offenes Ohr in den Verkäufern, die in ihren kleinen Häuschen nicht auskönnen, oder zumindest in den Tauben, die sich immer gerne füttern lassen.

to my dear english readers: we know what a wiener is, thank you.

 

 

Wien//Schnee

Wenn der Schnee kommt, fasst eine Urgewalt nach der sonst so regelwilligen Stadt. Je länger der Sturm dauert, desto unkontrollierbarer werden die Autofahrer. Straßenbahnen entgleisen und stürzen, da, wo sich die Erde auftut, in eisige Katarakte; um den Dom streichen Bären und Polarfüchse. In der Sicherheit der Wohnungen verbrennen die Menschen alte Zeitungen und hauchen Eisblumen an die Fensterscheiben.

To my dear english readers: why of course, winter is coming.

 

Wien//Trafik

Wer von Zigaretten oder Parkscheinen oder der neuesten Ausgabe irgendeines Wochenblattes abhängt, weiß, wo die nächste Trafik ist, während weniger Aufmerksame gerne an den ebenerdigen Monopolhandelsstellen vorbeispazieren, ohne sie zu bemerken. Es sind seltsam bipolare Orte, die Trafiken. Oft schuhkartonkleine Einzelhandelsunternehmen, bis nach oben hin angefüllt mit Schreib- und vor allem Tabakware, in denen trotz öffentlichen Rahmens kein Rauchverbot herrscht, wo – ganz im Sinne der ursprünglichen Intention, Kriegsinvaliden und Witwen ein Einkommen zu ermöglichen – immer noch vor allem Menschen mit Behinderung angestellt werden, die man aufsucht, wenn man die neue Autobahnvignette kaufen oder seinen Lotto-Toto Tipp setzen will, oder um einen Plausch mit der Trafikantin zu halten. Manche Trafiken verzichten ganz auf den Verkaufsraum und sind nach innen bestückte Schatzkisten, die nur durch ein Fenster hinausverkaufen. Neben den altehrwürdigen (die womöglich seit über zweihundert Jahren bestehen) finden sich die neuen mit ihren blinkenden Schildern und den E-Zigaretten in der Auslage; Anlaufstelle für Suchende jeder Art bleiben diese urösterreichischen Institutionen in beiden Fällen.

To my dear english readers: This might kill you.

Wien//Fahrrad

Wien ist nicht Münster oder Kopenhagen oder Leiden, wo das Fahrrad im Bewusstsein der StadtbewohnerInnen einen festen Platz hat, aber Wien bemüht sich, die ewig tragische Dreiecksbeziehung von Fahrrad-Auto-Fußgängerinnen flexibler (und ungefährlicher) zu gestalten. Wer im Besitz eines Fahrrades ist, muss sich dessen bewusst sein, dass jeden Moment die Möglichkeit der unfreiwilligen Scheidung besteht. Wer sein Rad mag, stellt es in den Hof. Wer es liebt, nimmt es mit in die Wohnung, dann besteht die Chance, dass es am nächsten Tag immer noch da ist.

To my dear english readers: All I want to do is (bicycle, bicycle, bicycle)

Wien//U-Bahn

Es gibt ein oberirdisches Wien mit Straßen und Häusern und Parks und Türschildern und dann gibt es mehrere unterirdische Wiens. Eines ist das Wien der Kanäle, das flüssig ist und feucht und in dem früher die Strotter unterwegs waren, um ihre kleinen Schätze aus dem Abwasser zu filtern. Ein anderes ist das Wien der Gänge, die unter den Häusern von Keller zu Keller führen, von der Hofburg zum Demel, von einer Litfasäule am Fuße der Strudelhofstiege wer weiß wohin. Unter den Kirchen wird es kritischer, hier ist man nie alleine, die Pesttoten sind immer noch da. Das dritte unterirdische Wien ist ein lautes, hier schnaufen die elektrisierten Drachen durch und jagen im Minutentakt als bahnsteiglange Lichtwürmer durch die Tunnels. Fährt man unterirdisch, wird die Stadt zu grünen, roten, braunen, violetten oder orangen Linien und zu Stationsnamen. Dann gibt es Heiligenstadt und Schwedenplatz, Burggasse und Praterstern. U-Bahnfahren ist die Vorstufe des Beamens, ein ins Gegenteil gekehrter Metaebenenride durch die Stadt, 1435 km lang.

To my dear english readers: London Tube who?

 

Wien//KELLER

Wien//KELLER ist der zweite Teil des Wien-Fotoprojekts. Altbaukeller sind der Regel nach kühle, halbdüstere Orte, die wegen ihrer hohen Luftfeuchtigkeit nicht wirklich dazu geeignet sind, als Lager verwendet zu werden. Die oft unverputzen Mauern begrenzen gestampfte Erdböden, Taschenlampen sind für die, die hinunter gehen, eine sinnvolle Ausstattung. Das was in den Keller geräumt wird, ist dazu bestimmt, ihn nicht mehr zu verlassen.

To my dear english readers: not every Austrian who owns a basment uses it to store children.  

 

Wien//INNEN Altbau

Wien//INNEN Altbau ist der Anfang eines Fotoprojektes, das versucht, verschiedene Blickwinkel auf die Stadt einzufangen und durch den besonderen Fokus Strukturen offenzulegen, die der Stadt eingeschrieben sind. Fotografiert wird über einen längeren Zeitraum, die Motive ergeben sich durch zufällig geöffnete Türen.

Altbau bedeutet hohe Räume, verschnörkelte Geländer im Stiegenhaus, Marmorstufen und Basenas in den Gängen, Parkettböden und Küchenfenster, die auf den Gang gehen. Es bedeutet aber auch undichte Fenster, schiefe Wände, Stiegen ohne Aufzug, verzoge Türstöcke und elektrische Leitungen, die vor dem ersten Weltkrieg verlegt wurden.

To my dear english readers: Watch Carol Reed’s The Third Man and observe the scenery. You’ll get the picture.