Oslo// Her kommer fargene

Rosen und Tulpen

Meine teure Aussicht ist sich nicht sicher. Soll sie sich weiterhin durchwölken, oder doch vielleicht bis zum Holmenkollen aufmachen? Ich lasse sie alleine und gehe hinunter zu Brunost und Knekkebrød. Soll sie sich derweil überlegen, was sie denn will.

Es hat aufgehört zu regnen, was mein Wandern erheblich bequemer macht. Den Schirm habe ich im Zimmer gelassen, dahinter steht so etwas wie positivistischer Trotz. Heute wird ein guter Tag.

Beim Frühstück habe ich mir überlegt, eine Harry-Hole-Runde zu machen. Wer Harry Hole nicht kennt, kennt auch Jo Nesbø nicht und wird sich entsprechend wenig darum scheren, aber nur soviel: mein schönes Vorhaben hat sich verlaufen. Ich habe mich bei meinem schönen Vorhaben verlaufen. Harry Hole ist verloren gegangen.

Das Fyrlyset in der Urtegata 16A finde ich noch, aber davor haben sich Bedürftige versammelt, die auf eine warme Suppe der Heilsarmee hoffen, darum lasse ich Fotos bleiben, stehe nur kurz in der mir nicht ganz geheuren Gasse, bevor ich zum botanischen Garten spaziere.

Botanisk hage Oslo

Im Februar und bei Tauwetter einen Blumengarten zu besuchen, ist nur bedingt sinnvoll und ich überlege mir zweimal, ob ich Bilder von den wintergefrorenen und wieder weich gewordenen Pflanzen machen soll, die über die Ränder ihrer Beete hängen. Im Glashaus ist noch mehr Leben, da drückt sich der Lavendel gegen beschlagene Scheiben.

Botanisk hage oslo

Mein Weg führt mich wieder, wie magisch angezogen, den Akerselva hinauf, heute zum ersten Mal bei Tageslicht. Das Eis der letzten Tage ist fast gänzlich weggeschwemmt und das Wasser dunkel.

Sagveien

In der Umgebung der schönen Ziegelfabriksbauten ist das Arbeitermuseum. Ich lege die Hand auf den Türknauf, aber es ist stengt, auch wenn die Öffnungszeiten Museumsspaß verkünden. Ich lungere noch kurz vor dem Museum herum, dann mache ich mich auf in die Sofies gate, wo Harry Hole wohnt.

Oslo Stilleben Straße

Nur, dass ich nicht hinfinde. Wie ein Schiff mit Schlagseite zieht es mich zum Schloss und zum Meer hinunter, der Kapitän ist miserabel im Kartenlesen, IPhone hin oder her. Am Weg mache ich dafür Fotos von allem Möglichen, komme an der Mathalle vorbei und kehre ein.

Im Gegensatz zu den meisten Märkten, die ich bisher gesehen habe, ist die Osloer Mathallen ein aufgeräumtes Architekturjuwel, das Luxus atmet. Am Eingang riecht es nach einer scharfen Gewürzmischung und nur dezent nach gebratenem Fisch. Hier geht nicht der Pöbel einkaufen, der steigt im Kiwi ab, hier kostet das Rugbrøt 40 Kronen und Tørrfisk von den Lofoten 500.

Poldi und Mucki Brennerieveien Streetart

Anstatt zurück zu Harry Hole in die Sofies Gate zu spazieren, bleibe ich im Brennerieveien hängen, wo die spannendste Straßenkunst an die Wände gemalt ist, dann setzte ich ein letztes Mal an – und schlage wieder in die alte Kerbe hinunter zum Meer. Harry, beklager, jeg kommer ikke i dag.

Frogner Oslo Villa

Nachdem das Arbeitermuseum heute nicht gearbeitet hat, ich aber trotzdem in Museumslaune bin, spaziere ich weiter hinauf zum Vigelandpark. Hinter dem Schloss beginnt das Edelpflaster. Hier sind die Leute reich. So reich, dass sie sich zu ihren jährlich renovierten Fassaden auch noch die Sonne kaufen. Die Gyldenløves gate hinauf zum Park nehme ich mit offener Jacke und geblendeten Augen. Das Licht fällt aus dunkelblauen Wolken.

vigeland park

Beim Park stehen zwischen den wunderbaren Figuren Touristen mit Selfiestangen. Auf jedem Selfie, den ich unabsichtlich quere, kann man sehen, dass ich abfällig schnaufe. Ein chinesisches Paar fällt beim Versuch, den richtigen Hintergrund für ihr Stangenselbstportrait zu finden, beinahe die Vigelandstiegen hinunter. Die Nacktheit der Figuren ist so unschuldig, dass es scheinbar auch die prüdesten Touristen nicht davon abhält, ihre Gesichter vor steinernen Geschlechtsorganen abzubilden.

Als ich endlich ins Stadtmuseum komme, das auch im Park liegt, bin ich von meinem fünfstündigen Gewandere müde und hungrig. Ich sehe mir lustlos den Teil der Ausstellung an, für den ich nicht extra die Garderobe abgeben muss, dann überlege ich mir einen Plan für den Nachmittag.

Karl Johan Oslo

Natürlich zieht es mich zurück in die Deichmanske Bibliothek, diesmal das Hauptquartier. Es sind bedeutend mehr Leute unterwegs heute, scheinbar sind sie von den späten Sonnenstrahlen herausgelockt worden.

Der Himmel treibt derweil sein Farbenspiel und ich bleibe gerührt stehen und mache Bilder. Die Farben sind neu und cremig und sie explodieren in mir.

Youngs torget oslo

In den Bibliothek denke ich an die Szene aus „The Beauty and the Beast“ wo Belle zum ersten Mal die Bücher zu sehen bekommt. Die Wände sind hoch und gefüllt, ich bin so angetan, dass ich dreimal mit meinem Laptop umziehe, weil ich nicht weiß, wo es mir am besten gefällt.

Als die Bibliothek schließt, ist der Himmel schon dunkel, aber sein Brennen ist mir geblieben. Es sticht ins Hirn und in den Bauch und breitet sich in der Lunge aus. Könnte ich die Stadt einatmen und mitnehmen, würde ich tief Luft holen dafür.

090216

 

 

4/Ho Chi Minh. Freizeitschläfer und Albinoboas.

Saigon Notre Dame

Nach dem gestrigen Gewaltmarsch steht heute der Plan, es touristischer anzugehen. Der Morgen ist klar und bald warm, die Grünflächen werden gegossen und die Märkte gehen wieder von Waren über. Ich besuche die Kirche Notre Dame, die hübsch anzusehen ist und praktischer Weise direkt neben der Hauptpost liegt. Die ist um 1890 herum gebaut worden und Gustav Eiffel hat damals die gusseisernen Streben beigesteuert.

Saigon Hauptpost

Sie ist den Besuch wert, das finden auch die anderen Touristen, die die gleiche gute Idee haben wie ich, nämlich vor Ort Karten zu kaufen und direkt zu schreiben. Ein Mann in meiner Nähe meint, das sei ein ruhiges Haus und ich höre es nur mit einem halben Ohr, weil ich bemüht bin, die überdurchschnittlich großen Vietnamkarten zu füllen, aber dann verstehe ich ihn doch. Es ist wirklich ruhig in der Posthalle, trotz der vielen Menschen; es muss an der Architektur liegen und an den klaren Linien.

P1080432 (2)

Ich gehe die Le Duan Allee weiter, an Businesstower und Nobelhotels vorbei und stehe irgendwann am Botanischen und Zoologischen Garten an. Eigentlich möchte ich mir noch das historische Museum ansehen, das im selben Gelände untergebracht ist, aber dort herrscht Dunkelheit und Mittagssperre. Dafür macht das Geschrei aus dem Zoo die Museumsruhe wett. Ich zahle den Eintritt von zwölftausend Dong, also keine 50 Cent, und versuche mich in dem Durcheinander von Kindern, Bummelzügen und Lautsprecherdurchsagen zu orientieren. Eigentlich möchte ich den Garten sehen, aber die Mittagshitze ist drückend und mein Kreislauf befielt mir, mich neben dem Giraffengehege auf den Boden zu setzen. Rings um mich hocken Familien auf mitgebrachten Decken ode Zeitungspapier und halten ihr Picknick ab, alle scheinen wunderbar gelaunt und wer schon gegessen hat, rollt sich auf die Seite und hält ein Schläfchen ab.

P1080443 (2)

Ich fühle mich blöd, zuvor einen Umweg gemacht zu haben, um nur ja nicht in die Wiese zu treten, als ich sehe, dass die Leute hier Hängematten mitgebracht haben, die sie zwischen den Bäumen spannen und dass sie jedes Fleckchen Rasen nützen, um sich darauf breit zu machen.

P1080448 (2)

Die Tiere sind nur eine Nebenerscheinung, die mehr oder weniger aufgeregt wahrgenommen wird. Auf der Suche nach den seltenen Pflanzen, die Dumont versprochen hat, komme ich an einer Gruppe von Jugendlichen vorbei, die unter dem alterstypischen Gekreische im Kreis sitzen und etwas wie Wahrheit oder Pflicht spielen. Ich bin mit den Gedanken schon bei den Gibbons, die das einzig halbwegs vernünftige Gehege haben, als ich Trippeltrappel hinter mir höre. Mein Griff geht automatisch zur Handtasche, dann sehe ich, dass mir einer der Jungs nachgerannt ist, sich jetzt, da ich mich umgedreht habe, einbremst und „I love you!“ schreit, dabei hat er die Augen am Boden. Dass ich mit „I love you too“ antworte, finden seine Freunde großartig und sie begrüßen den Mutigen zurück im Kreis.

Saigon Zoo Python

Ich wandere müde weiter und hänge meinen Gedanken nach. Darin verschwindet das Glas vor dem Phytongefängnis wie in Harry Potter und der Stein der Weisen, der weiße Tiger mit den Schneeaugen zwängt sich durch die Stäbe und macht sich über einen Suppenstand her, ich sehe, wie die Elefanten über die Absperrung steigen und die Wärter im Vorbeigehen mit erhobenen Rüsseln zum Schweigen bringen, wie sich das Orang-Utan Paar an der Hand nimmt und sich vor dem Zoo ein Taxi bestellt, das sie weg bringt von hier.

Zuschauer vor Elefantengehege

Aus den Gedanken lasse ich mich nur ungern reißen, aber plötzlich stehe ich im botanischen Garten und bin beeindruckt von der Vielfalt und der Üppigkeit der Pflanzen. Die Palmen sind haushoch und zerfallen oben in ausladende Fächer, im Orchideenhaus blüht der bunte Überschwang und dazwischen wippen schwarze Schmetterlinge, die so groß sind wie Spatzen.

Botanischer Garten Saigon

Ich bewundere die Blumen und merke mir keinen einzigen Namen und als ich mich sattgesehen habe, mache ich mich auf zum Fluss. Der Weg hin führt durch eine enge Straße, das Leben hat sich jetzt, da der Nachmittag golden und mild ist, wieder nach draußen in die späte Sonne verlagert und die Vorbereitungen für das Abendessen sind schon an allen Ecken im Gange. Ich setze mich zum Flussufer und schaue in den Song Sai Gon. Auf seiner Oberfläche treiben Lotusblätter. Es ist für jetzt mein letzter Abend, morgen geht es ab nach Da Nang.

Saigon River View