London// Gap Minding and the Chemistry of Holy Repetition.

 

London Mind the Gap

Da gibt es nichts mehr zu sagen, was nicht schon gesagt worden wäre.

Jedes Wort in einem London-Reisebericht, ist eines zuviel; ein Duplikat der immergleichen Abhandlung: Beim Big Ben und es hat gerade zwölfe geschlagen und dann den Palace of Westminster fotografiert, vor dem Buckingham Palace die Wachablöse erahnt und dabei zwischen französischjapanischspanischen Reisegruppen gesteckt, am Picadilly Circus zum Amor hinaufgeschaut und später in Soho die anderen mit dem Ellenbogen angestoßen und augenzwinkernd auf Auslagen gedeutet, in denen Bilder von dienstbereiten Latten unter Regenbogenfahnen hängen, beim Aussteigen aus der Tube über den Spalt gesprungen und genickt, ja, da muss man echt aufpassen, in der National Gallery ein Bild von Monets Seerosen gemacht und es sind ein paar andere auch drauf, weil sie die selbe Idee gehabt haben, am Leicester Square für ein Heineken 5 Pfund gezahlt und nachher in den Kensington Gardens unter einer blühenden Blutbuche gesessen und gemeint, so eine Ruhe, die braucht man nach den ganzen Leuten.

All ihr faden Zwillinge und Déjà-vus, die ihr durch die London-Travelogues der weiten Welt springt und euch dort ins Unendliche reproduziert! You are not welcome here, my friends! Farewell you bricks of mediocrity and may you never return.

I am out.

To my dear english – and this time especially British readers: what a bunch of lucky bastards you are to call such a city your own.  

Tag 10 Kathmandu – Patan/Lalitpurs Traum

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Lalitpur, wie schön das klingt, wie aus dem Mahabharata heraus. Es ist der Namen einer Stadt, die im Süden Kathmandus liegt und drittgrößte Stadt Nepals ist. Ich war schon einmal dort als ich den Zoo besuchte, heute biege ich aber früher nach links ab und betrete mit allen Sinnen Patan, wie die Stadt ursprünglich hieß, als sie noch ein Königreich war. Am Eingang sind 500 Rupien zu entrichten, die dem Erhalt der Stadt dienen sollen und ich bekomme einen Plan und einen gelben Zettel zum Umhängen, auf dem steht, dass ich brav gezahlt habe.

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Die Stadt ist alt, 2300 Jahre und das Alter findet sich in ihren engen, verwinkelten Gassen und Häusern im Newar Stil, den geschnitzten Fassaden, den unendlich vielen Tempeln und Schreinen, die hinter jeder Ecke warten und dem holprigen Boden. Auf meinem Weg zum Durbar Square, der in der Mitte des Stadtkerns liegt, verlaufe ich mich, aber es ist ein nettes Verlaufen, das mich an den unzähligen Geschäften mit ihren goldenen Götterfiguren, Masken und dem schönen Schnitzwerk vorbeiführt.

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Als ich den Durbar Square dann doch erreiche, taucht der wie eine Lichtung aus dem Häuserwald, eine gut gefüllte Lichtung mit den eindruckvollsten Tempeln, die man sich auf so engem Platz denken kann. Die Könige der Stadt haben dort residiert, heute ist der Platz UNESCO Weltkulturerbe. Die Mallakönige haben den Platz im 17. Jahrhundert geprägt, aber schon früher hat es ihn gegeben, er ist so alt wie die Stadt. Der Krishna Tempel zieht meine Aufmerksamkeit auf sich, er ist aus Stein und hochgewölbt, gebaut um 1637, Steinplatten im ersten und zweiten Stock erzählen aus dem Mahabharata und dem Ramayana, in seinem Inneren sind 21 goldene Tafeln (die man nicht zu sehen bekommt, wenn man kein Hinduist oder Buddhist ist, oder wenn man Leder trägt).

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Der Krishna Tempel ist von den anderen Tempelhäusern umgeben mit ihren mehrstöckigen Dächern und den hölzernen Stegen. Von ihnen aus sieht man auf den Palast, der die Breitseite des Platzes dominiert und den roten Ziegelboden spiegelt.

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Die Tempel, so alt und ehrwürdig sie auch sind, werden lebendig im Tagesgeschehen, denn zwischen ihren Säulen sitzen die Besucher und beobachten den Platz, plaudern oder sind für sich selbst. An der Längsseite des Palastes verbringen die gealterten Söhne der Stadt die müden Nachmittagsstunden, nur hin und wieder spazieren Besucher mir der gelben Plakette vorbei, machen Fotos oder bleiben in den niedrigen Türstöcken hängen.

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Die Offenheit und Ruhe des Platzes tausche ich erst spät wieder gegen den Ameisenfleiß der Nebengassen, in denen es sich trotzdem lohnt, stehen zu bleiben (auch wenn kaum dazu Platz ist) und nach oben zu blicken, um die bunten Fassaden zu betrachten. Beim Verlassen der Altstadt verlaufe ich mich wieder, aber das kann mich nicht mehr schrecken.

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Zwei Kettenverkäuferinnen helfen mir weiter und lotsen mich hinaus zu dem Tor, durch das ich gekommen bin. Vor mir liegt ein etwas zweistündiger Weg nach Hause in die lärmenden Arme des Thamels, aber die ruhige Stimmung des Ortes begleitet mich noch ein gutes Stück des Marsches.

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Tag 2 Delhi./ „I am telling you the old stories, so you will be more happy…“

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Meine erste richtige Nacht ist heiß; der Ventilator wühlt in der feuchten Luft, auch dann noch, als ich aufwache. Zum Frühstück hinauf zum Rooftop Restaurant – wie das klingt! nach Aussicht und leichter Orientbrise vom Meer her. Aber Meer gibt es natürlich keines, auch keine Orientbrise, dafür rotbemaltes Bambusrohr, das einen engen Bereich umzäunt, mit Plastiksesseln und Metalltischen. Ein Bub begrüßt mich und hält mir das Klemmbrett hin, wo ich meine Namen und meine Zimmernummer eintragen muss, dann bringt er mir ein abgegriffenes Tablett mit Cornflakes, einer Banane, einem Mangosaft im Kinder-Tetrapack und zwei in Butter getränkte und angeröstete Toastscheiben. Dazu im Pappbecherchen Milch für die Cornflakes. Es riecht nach Morgen in Delhi. Über das Gerumpel der Ventilatoren schmeichelt das Radio mit seinen Liebesliedern I love you chalalala. Ich esse in Ruhe und schau mir an, was ich mir anschauen möchte. Später dann, als es beginnt, so richtig heiß zu werden, breche ich auf.

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Mein Ziel ist das Rote Fort, ein alter, riesiger Gebäudekomplex im alten Delhi aus der Zeit des Mogulreiches, dafür muss ich vorher aber zur Ubahnstation finden. Dort hat sich an der Verkaufsstelle eine Schlange gebildet, die synchron schwitzt. Im Zug dafür herrscht die gütige Hand der Klimaanlage, die mir ins Genick bläst und zum ersten Mal, seit ich hier bin, fühle ich mich nicht wie der überhitzte Motor einer brustschwachen Maschine. Mit dem Verlassen der U-Bahnstation entsteige ich der gefühlten westlichen Welt mit ihren glänzenden Fliesen und der zweisprachigen Beschilderung. Draußen empfängt mich Delhi schreiend am Chandni Chowk, dem Mondscheinbazaar; es ist enger und lauter als je zuvor. Ein Rikschafahrer warnt mich, too crowded Madam, take Rikscha to Red Ford, only 10 rupies. Ich, tapfer, drücke mich an den Rädern vorbei durch kurzfristige Lücken, gehe drauf los, weil ich schön langsam die Verkehrsgrundlage des don’t wait geschnallt habe, und bin mit dem Kopf ganz da, wo man am Hinweg immer ist: am Speichern der Route. Kein Draufloslaufen, sondern Mitdenken, Memorieren und innerliches GPS aktivieren. Zu meiner Linken eröffnet sich die Sicht auf das Rote Fort, das macht den Weg leichter. Die Hitze drückt. An der Kassa zahle ich den Foreigners Price, 250 Rupien, die Residents zahlen 5, aber das ist doch in Ordnung. Ein dicker Guide im Polohemd kommt auf mich zugestürmt und verspricht mir: I am gonna tell you all the stories so you will be more happy. Ich versichere ihm, dass ich already happy bin und dass ich gerne alleine unterwegs bin. Durch den überdachten Bazaar hinein in die Sicherheit des Forts.

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Der Lärm wird ausgeblendet, als bliebe er an den roten Steinmauern hängen. Wiesen mit duftenden Bäumen, unter denen liegen Hunde im Schatten und gähnen. Verstreute Gebäude aus den frühen 1640er Jahren, eines schöner als das andere. Das Badehaus des Kaisers, die private Audienzhalle, das Trommelhaus, die Perlmoschee, der Palast der Farben in dem die Frauen lebten, durchbrochen von Grünflächen und roten Wegen. Im Schatten Gruppen von indischen Touristen, ein paar Europäer dazwischen mit roten Köpfen und schweißnassen Haaren.

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Ich sitze im Schatten und werde komisch beäugt, bei der Wasserstelle, zu der es mich zieht wie die Fliege zum Licht (und in meiner hypnotisierten Verfassung glaube ich dem Schild, das von filtered drinking water prophezeit), fragen mich zwei Frauen, ob sie ein Foto von mir machen dürfen und ich frage mich, warum in aller Welt und fühle mich seltsam berührt, die Kinder kommen auch für das Bild, das eine Mädchen fremdelt ein wenig während seine Schwester stolz den Arm um meine Hüfte legt, kaum verabschiede ich mich von ihnen stehen schon die nächsten Kerle neben mir und wollen ein Foto haben. Jemand erzählt mir später, dass die Männer Fotos von fremden Frauen machen, um dann allen zu erzählen, dass sie mit ihnen geschlafen hätten, aber so viel Pessimismus ist mir unsympathisch. Ich treffe den Fremdenführer von vorher wieder und er lacht, stellt sich mit in das nächste Foto und plaudert dann über seinen Job, bis er zwei Asiaten entdeckt, denen er sich auf die Fersen heftet, um ihnen sein Wissen anzubieten und sie more happy zu machen.

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Zwischen den Säulen der privaten Audienzhalle liegen possierliche Streifenhörnchen am kühlen Steinboden, dahinter kreisen die Adler in Schwärmen über dem Fluss. Die Gewänder der Frauen erblühen zwischen dem hellen Stein. Als ich das Fort verlasse, bin ich glücklich, da gewesen zu sein.

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Der nächste Halt sind die Lodhi Gärten im Süden, im neuen Delhi, eine Parkanlage nahe dem Reichenviertel, in dem ein Ferrari aus der Ausfahrt einer modernen Villa rollt, daneben spielen die Jungen Cricket. Eine Frau verlässt eine der Villen, sie ist groß und blond, dazu trägt sie einen grüngoldenen Sari. Sie lächelt mir zu, und ich starre ihr nach, wie einer Erscheinung. In den Gärten ersterben wieder die Straßengeräusche. Die Bäume sind gepflanzt und gehegt, ein artifizieller Dschungel, aus dem Grabhäuser und Moscheen wie Paläste stechen, ewigalt (das Grab des Mohammed Shahs datiert aus 1444).

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In den Kuppeln der oktagonalen Grabstätten sitzen Vögel und zwischen den Bäumen verstecken sich Pärchen, die sich aneinanderlehnen und gemeinsam Musik von ihren Smartphones hören. Jeder Lokus Amoenus wird in seiner Heiligkeit von den anderen Parkbesuchern geachtet. Die Joggingroute führt neben dem gesteinten Weg entlang und tatsächlich gibt es Frauen und Männer, die hier entlanglaufen, wo ich im Gehen unter der Hitze hechle.

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Bevor die Finsternis einbricht, verlasse ich die Ruhe der Gärten und fahre nach Hause, wo mich der Bazaar vor der Haustür in seiner Abendstimmung aufs Neue verzaubert. Ich kaufe mir eine Blätterteigtasche an einem der Stände und gedämpfte vegetarische Momos von einem Asiaten. Sie sind scharf, wie alles hier, das nicht extrem süß ist. Auf dem Rund des Marktes, zwischen den Händlern am Boden, sind die Kühe erschienen. Sie tragen Ketten aus Seilen um den Hals und wandern vorsichtig an den Ständen vorbei. Ich bleibe in ihrer Nähe und beobachte sie, bis ich die Momos aufgegessen habe, dann suche ich meinen Weg durch die Gassen nach Hause.

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