Where Dionysus still smiles

Outside the crickets sing their summer songs.
It is songs of dust and all too little rain mixed to the distant beat of a tractor.
Outside it is August in the year of 2022.

But inside.
I found an open door and took it as a silent welcome even though it might just have been the wind who had pushed against the gate, over and over again, until the hinges gave way.
But inside.

It is 1960 and the past cools my temples.
It is 1960 and the calendar still counts the days of the year,
every year since,
and loops the present perfect tense without acknowledging the crickets chancing songs outside.

It is 1960
and Dionysus lifts his glass as if to show me that time doesn’t matter
and that present, past or future doesn’t matter
as long as there is wine to harvest and orchards to plant and as long as one does caress the seeds to sleep in long winter’s hours.

Times have changed I try to tell Dionysus but he won’t hear a word of that.
He won’t hear about people having forgotten to listen to the crickets’ worried songs.
He won’t hear about people having forgotten to caress seeds to sleep.
He just smiles his crooked smile.

I already know, he says as I turn to leave the vine vault, as I leave 1960 and as I step back into the outside.

The grapes are ripe, three, four weeks earlier than expected.

ListenListenListen the crickets chant as night falls.

Ein leises Quietschen im Kopf, unbeugsam.

2. Mai 2022
Die Sonne blendet mich.
Habe ich erwartet, die alten Fassaden grüßen zu können, wie eine Bekannte lächeln,
ce mai faci?
Es fehlen die Häuser,
Stadtzahnlücken und Karies ist verplombt worden,
es fehlt die Universitatea Spiru Haret mit ihren schwitzenden Bleirohren und
dem Terrazzoboden,
dem Ausstieg durch die Dachluke zu den Tauben und
die Stromleitungen, zerfasert.
Es liegt nicht an der Sonne, es liegt an der Zeit, denke ich mir, die heilt doch einige Wunden, zumindest subkutan.  

3. Mai 2022
Auf einem Spielplatz begegne ich den Verfremdungen von Kindheitserinnerungen.
Die Donald-Duck-Wippe
ist im Ungleichgewicht, das Gesicht grün angelaufen
aber nicht vor Schräglage.

Ich möchte lieber zu den schwebenden Pferden; dort drehe ich meine Runden.
Es quietscht unter meinem Gewicht das Kettenkarussell,
es verheddern sich die Gedanken am Damals,
als aus einem Stecken ein Rappe wurde.

Der Metallgriff unter meinen Fingern riecht nach salzigen Kinderhänden und der Angst vor dem Erwachsenwerden.

5. Mai 2022
Weil die Meereswacht am Strand von Constanța unbesetzt ist, wird niemand gerettet.
Im Wasser sind aber nur Fische und Algen und Krebse und Wale und Kraken, ganz nah schimmern sie aus der Sandstrandbucht.

Ein Mann
kommt am Wellenrand entlang,
in seinem rechten Ohr steckt ein Bündel Petersil und
die Bänder der Turnschuhe schlenkern lose im Schrittrhythmus.

Sein Hund
trägt Sand im Fell und Welpenzuversicht im Herzen und
sein Kopf ragt über meine Hüfte, als er sich gegen mich lehnt.

Der Petersilmann macht Liegestütz gegen den Hochstand der Meereswacht und dreht seine Arme wie Windmühlenflügel.
Den Hund zu rufen mache keinen Sinn, sagt er.
Zu schwer sei er. Zu stark sei er.
Ein Ungetüm sei er.
Der Hund wiegt mehr als ich, sein spröder Fellrücken drückt gegen meine Beine, er lehnt sich gegen mich und ich lehne mich gegen ihn, so halten wir den Horizont.
Der Mann trabt einmal um den Hochstand, dann klatscht er und winkt und sprintet einige Meter über den Sand,
wie damals,
als er jung gewesen war, vor zehn, vor dreißig, vor hunderten Jahren, er und seine ungeschnürten Sportschuhe
und die fliegenden Sandkörner,
Amphibienstaub und
der Hund
stößt sich aus unserem Gleichgewicht und läuft hinterdrein.

7. Mai 2022
Im Untergrund hält sich der Schmierölgeruch von Waggons, die es nicht mehr gibt, Grottenbahn, das Quietschen der Züge hallt durch meinen leeren Kopf, nur kleine Gedanken bleiben hängen.

Atenție,

se închid uşile.

Achtung,

Achtung,

sonst bleibt die Ferse zwischen der Tür und dem Tunnel
klemmen.

Atenție, sonst bleiben die Gedanken stecken.

Kohlköpfig, baklavasüß // Istanbul

24. Februar 2022

Durch die Scheiben ein Druck auf den Glaskörper direkt in die Lamellen; sobald ich es sehe, bleibe ich an dem Bild haften wie damals die Vögelchen am Leim. Yufkateighimmel im Sirupmeer. Es würde den Rachen hinunterschmeicheln und kleine Pistazienbrösel zwischen den Backenzähnen zurücklassen.  

Pistacchio, ein Pasticcio besser aus allem, was zerrinnt. In meinem Kopf klebt die Erinnerung an Türkeiurlaub der Kindheit.
Taucherbrillen, Haut, die sich von den Schulterblättern schält, darunter eine neue rosige Schicht, Salzrückstände in den Haaransätzen.
Hier ist es kalt, unter dem Türspalt quillt Honig hervor.

Oder bilde ich mir das nur ein?  

25. Februar 2022

Aus der Wand starrt mich ein Türke an, ein halbfertiger, ein vollendeter.
Er sagt: „Evet!“, das höre ich an den Ecken, das einzige, das ich verstehe und selbst vor mich hinmurmle, evet, evet.
Er hätte noch mehr zu sagen, aber ich verstehe ihn nicht und entschuldige mich.
In seinen Augen liegt Güte aus dem Handgelenk gelenkt.  

26. Februar 2022

Süleymaniye Moschee bergab,
bergweg von den Besuchenden,
bergrunter von der zarten Heiligkeit, empfangen von dem Dahinter und dem Darunter.

Dort: baufällige Ziegelruinenfelder; Platz für Neues (?)
Zusammengehalten von Wäscheleinen und Katzenschwanzzucken die alten Fassaden, wie ehrenvolle Greisinnen.
Ich bleibe im Flattern der Kinderwäsche hängen, es trommeln die Ärmel ein Stakkato ans Holz.

 

27. Februar 2022

Es gehen einem die Augen über, die Augen, die zurückstarren, goldumfasste Fluchabwender, fingerdicker Wohlstandsverweis.
Oder doch nur die Begeisterung
der Elstern und Krähen?
Lapislazuli, Türkis und Amethyst, mein Sternzeichen diktiert, wenigstens einen Stein mitzunehmen, die gehören zu mir, wie mein Aszendent.
Aber ich trage Handschuhe, da wäre es doch schade darum.

28. Februar 2022

Weiter außerhalb tausche ich Gold gegen geschichtete Köpfe.
Einer über dem nächsten,
in sich geschlossene Matrjoschkas.
Niemand hat die Geduld, Blatt für Blatt abzutrennen und die Adern und Verästelungen mit den eigenen Handrücken abzugleichen. Eher fährt die Schneide querdurch und splittet in der Hälfte, in dem Viertel.
Ich möchte mich in die Köpfe verkriechen und mit ihren Blättern zudecken, damit von der Welt nichts mehr gesehen werden muss.    

Erster März 2022

Ich entdecke meinen Namen, fast richtig geschrieben und muss mich zum Schild stellen, damit ich in mich hineingehen kann.

Ich finde mich trotzdem nicht und meine Nase wird kalt.

Neujahrsmüdigkeit in den Mundwinklen.

Karlskirche, davor ein zebrochenes Sektglas.

Neujahr in Scherben am Karlsplatz,
ein zackiger Sektflötenabgesang auf 2021.

In der Innenstadt gibt es Glück zu kaufen, schweinrosa.
Die guten Vorsätze können an Hufeisen gebunden werden. Oder an Rauchfangkehrer.
Vorsatz:

  • Auf Hoffnung hoffen.
  • ?
  • Ein Vorsatz reicht.

Rotweiß-rotweiß-rote Schräglage.
Es war einmal ein Licht,
tschak, finster.

Schon am Tag nach Weihnachten
sind wir Last Christmas überdrüssig,
schon am Tag nach Silvester
schmeckt der Punsch nur noch
nach eingefärbtem Zuckerwasser.
Schade, finde ich. Wham geht doch immer.

Sterne bleiben an meinen Sohlen kleben.
Ich streife sie ab und sie glimmen auf, sobald sie die Morgensonne erfasst.

Oslo // enten går det bra, –

Was ich am Weg finde
Einen Trödler.
Am Eingang wacht ein Rottweiler, aber er beachtet mich nicht.
Drinnen riecht es nach den Wohnungen abwesender Menschen.
Im Heizraum kann ich mir Schuhe und Taschen aussuchen.
Ich bleibe im Türrahmen stehen, weil mich die Privatheit überwältigt.
Vær så snill og holde orden her!!
Ingen som holder orden her.

Oder liegt die Ordnung gerade im Durcheinander? Ich gehe, ohne in die goldenen Schuhe geschlüpft zu sein, was ich jetzt, Wochen später, bereue.

Was ich am Weg finde
Kalte Fingerspitzen in den Jackentaschen.
Am Meer das Übergebliebene einer Möwe, sie liegt wie im Flug. Noch sind die Schwingen schwarz; in der Sonne täuschen Sie Krähenflügel vor.
Das ist das Meer, hier sterben die Möwen, nicht die Krähen.
Ich betrachte sie und betrachte mein eigenes Skelett in mir.
Mir fehlen die Flügel und die Krallen.
Meine Nase rinnt und ich gehe weiter.

Was ich am Weg finde
Kinderköpfe auf Konservendosen.
Kannibalische Nuance, feinste Leberpastete, aber von wem?
Wessen Spenderleber wurde hier abgepackt?
Ich wiege ein Döschen in der Hand.
Reich an Metall.
Reich an Öl, eigentlich.
Strahlend blau und blond und weiß und reich an vielem.
Ich lege die Dose zurück und kaufe eine Packung Karotten. Das trifft meinen Gusto besser.  

Was ich am Heimweg finde
Die Spuren der Nachtschwärmenden.
Das Vors[spiel] vor dem Höhepunkt der Nacht und  dem eventuellen Höhepunkt des Nachspiels, dann wenn alle von innen erglühen und kalte Hälse haben.
Kos deg, lille venn.
Der Rand der Pizza ist zu hart, aber kos deg mit Käse und Paradeissauce und Schinken oder Kinderleberpastete.
Kos deg, irgendeiner wird deinen Rest der Nacht schon wegräumen.
Ich schlage ein Stück Pizzarand in ein Taschentuch und nehme es am nächsten Tag mit zum Meer.
Mit zur toten Möwe.
Ich will die Lebenden füttern.
Sie schreien vom Himmel und verstehen nicht, was ich von ihnen will.
Das Randstück treibt am Fjordrand,
verschaukelt zwischen den Wellen, die ein Boot schlägt.
Irgendwann kann ich es nicht mehr sehen.

Tasse mit der Aufschrift: entweder geht es gut, oder es geht vorüber.

Oslo // Papierwald og Bladspiss

Laub am Boden und auf einem Sessel, daneben eine halbvolle Flasche.

Im Stadtwald (verkürzt auf: Parks, bakgårder, Erholungsgebiete) liegt der Herbst, auf den Straßen seine Reste in allen warmen Farben die unter den Schritten zerfallen. Ein Abschied ist das vom Jahr, unter dem Laub kommt die Weihnachtsbeleuchtung zum Vor-Schein.

Altlasten fallen mir aus den Augen und bleiben an meinen Schuhen hängen, als ich den Wald ergehe.
Løv zwischen Mauern und Hauswurzen
Löwen an Leinen, ausgeführt von Menschen in festem Schuhwerk und gebauschten Jacken.

Blätter, Gehsteigkante, Hauswurzen, Gitter.

Zwischen den Kreuzungen (Loises og Tereses gate møter hverandre. Og Pilestredet vil være med) in eine Telefonzelle gepflanzt ein neuer Wald. Drinnen kein Kabel für den Hörer aber ein Regal mit Büchern, Tauschwerk, dort steht es sich knapp, aber wenn die Türe geschlossen ist, drückt der Raum auf meine Ohren.

Draußen: die kleine große Stadt und das Straßenbahnknirschen.

Drinnen: Tinnitus und Buchtitelfetzen.

Jemand steht mit dem Gesicht an die Scheibe gedrückt und sondiert an mir vorbei. Ich bücke mich unter dem Blick.

An anderen Stellen: offene Papierwälder ergänzt durch Ungewolltes das [maybe, maybe] Freude macht, Gewissenserleichterungen, Neues kaufen zu können. Am Rand der Fußballwiese, am Rand der des Spielplatzes, neben der Backsteinkirche.

Offenes Bücherregal, Wasserkocher und Plastikorchidee

An anderer Stelle: Geschlichtete Blätter, überfordernd an die Innen und Außenscheiben des Antiquariats geschichtet.
Soll hier überhaupt gekauft werden.


?


Ein skeptischer Blick, als ich eintreten will, Hei in die Lippen gemurmelt, mehr aus Gewohnheit als aus Höflichkeit, aber ich störe. Er sitzt in einem Gang, schulternbreit, links und rechts aufragend getrocknetes Laub, gedankenbedruckt und belanglos geworden.
Im Frühjahr könnte man es wegkehren. Aber er wird es weiterhüten.

Bücherstapel hinter Scheibe.

To weather the stormes of a little while

I visited the market, a little while ago.
There I found pomegranates and tangerines covered in snow and covered in the cold. Summer’s sweetness in Winter’s breath.

Ice apples in ice cubes
frozen hands fishing
for vitamins
open up remembrance of warmer days.

More skins for you and the dog.
Cloaking down under sky invasions I watch them pass by and I watch the earth freezing
over in a couple of minutes.

Dear nothingness

A bridge in Vienna, fogg surrounds everything

It was only recently that I crossed a bridge to get to work. The bridge was the same bridge as everytime I cross it. The handrail, the graffiti art, the cycleway, even the river beneath the bridge. But this time the world around was missing.

A spider web in the fogg

In this surrounding of wool-like exhalation, a spider’s web collection of drops anchored between here and there. And I remembered a German palindrome: Nebel // Leben, reflecting mist and life.

little ship covered in fogg

As I played the back and forth of Nebel-Leben-Nebel-Leben in my mouth, a boat went by, appearing and disappearing between the limitations of river and sky and everything in between.

From the inside, I am blinded

I came across a refuge dressed in turquoise tiles and dripping letters whilst debris grinded about the better times.

Tranquility, I thought, but it was a fallacy for the walls were talking to me.

Outside I found the replica of a forest right in a window’s joint.

And that is the cruelty of it all; time is unforgiving.

Let’s drown together

Venice_Iris_Gassenbauer_3

„You have to see the sunrise over Venice“, I was told. But there were clouds in sky.

Venice_Iris_Gassenbauer_5

But all in all, you don’t need a Palazzo

…and you don’t need the view from the Campanile di San Marco

…or canary birds on balconies,

Venice_Iris_Gassenbauer_4

you don’t need a sweeter sound than laundry drying in the wind

or a more spectacular smell then the remains of the Mercati di Rialto

Venice_Iris_Gassenbauer_2

if you just walk the remote lanes of the city, getting sooner or later inevitably lost.