Es gibt Musik, die begleitet einen durch bestimme Phasen des Lebens. Sie ist Seelentröstrin oder Stimmungsmacherin, der Soundtrack zu dieser einen, ganz bestimmten Situation, die Substanz eines Gefühls, das irgendwann einmal abgespeichert wurde, und mit ihr wieder kommt. The Rasmus ist die Länge eines finnischen Wintertages. Durch die Phasen der Entwicklung melancholisch, dann wieder aufbäumend, gelassen, verspielt. Und am 13.5. waren sie in der Wiener Arena zu Gast.
Wer die Arena nicht kennt, erwartet vielleicht etwas anderes, und nicht einen ehemaligen Inlandsschlachthof. Vom Ort des Grauens sind nur noch beeindruckende Gebäude stehen geblieben, die lange Zeit besetzt waren und seit den 70ern als Veranstaltungszentrum dienen, Backsteinbauten mit herrlicher Streetart, ein eigener Kosmos.
Um 19:00 ist Einlass, es ist kalt an diesem Tag, trotzdem haben sich vor dem Toren diejenigen versammelt, die vorne stehen wollen. Ein Konzertbesuch heißt warten, warten vor dem Eingang, warten vor der Bühne auf die Vorband, warten auf die Hauptband, warten, dass nachher noch was passiert, warten auf die U-Bahn.
Diesmal fällt es nicht schlimm aus, die Tore werden pünktlich geöffnet worauf ein unglaubliches Drängen das Warten ablöst, der Support beginnt ein paar Minuten früher und spielt für eine halbe Stunde, InMe aus Essex, tapfer muss man sagen, der Leadsänger Dave McPherson hat sich laut eigener Aussage in lustigem Rausch am Vorabend den kleinen Finger der Rechten gebrochen, zumindest fühlte es sich so für ihn an und schuld daran sei der Schlagzeuger, dieser Terminator. Sie halten sich tapfer und heizten die Stimmung fein an, am Ende muss die Band, die seit 1996 besteht, dann aber doch ihre Instrumente selbst wegpacken. Das Warten verkürzt sich beim Zusehen wie das Schlagzeug auseinander genommen, die Verstärker davongetragen, die Kabel aufgerollt werden, dann wird neu aufgebaut. Jedesmal, wenn eines der Lieder, die derweil gespielt werden, endet, wird die Luft angehalten, ob es endlich richtig losgeht und als es startet, ist die aufgeregte Energie zu spüren, zumindest da, wo ich stehe, dank meiner motivierten Warterei in der vierten Reihe hinter jemanden, der ausnahmsweise nicht einen halber Meter größer ist, als ich es bin.
Es startet mit einer Lightshow, die die ganze Zeit über den Bühnenraum zu einem toll genützten 3D Gebilde macht, da haben sie sich wirklich was überlegt. Die Band kommt auf die Bühne, Lauri Ylönen ist erstaunlich schlank und schwarz gekleidet, mit Federn im Haar. Er macht ein Foto vom Publikum, das schon aufgeheizt ist, dann geht es los. Das erste Lied vom neuen Album, Stranger, ein noch sanfter Einklang, dann folgt No Fear und bei First Day of My Life ist die Stimmung da, wo sie sein soll. Lauri ist krank, die Grippe hat ihn erwischt, aber er ist bis zum Schluss ganz dabei, auch wenn er sich in den kurzen Pausen die Hände an den Hals legt und tief durchatmet. Getrunken wird nur Wasser, von allen Bandmitgliedern. Justify folgt, dann You Don’t See Me, Friends Don’t Do Like That ist Lauris derzeitig liebster Titel des neuen Albums. Eero ist gesprächig und lobt das Publikum auf seiner Seite, das sei bester Laune, dann meint er, dass sie den Abend freihätten und in die Stadt fahren würden, auf die Frage, wohin genau, meint Lauri, der beim Schlagzeug und mit dem Rücken zum Publikum steht nur, that’s a secret. Es folgen Ghost of Love, Guilty, Save Me und Immortal in genialer Version. Während des Akustiksolos Lauris (im Hintergrund auf den Boxen) singt Eero in tiefer Kontemplation, wenn auch vielleicht nicht ganz ernst – Video dazu hier.
Der Akustikteil ist wunderbar, Eero meint, wenn jemand Feuerholz bringt, würden sie ein Lagerfeuer machen. Es kommt zu einer demokratischen Wahl ob Chill oder Days gespielt werden soll, Days gewinnt eindeutig, Lauri sagt, dass einer beim Abstimmen einer beide Hände oben gehabt hätte. Nach Ende of A Story kommt In My Life und ich bin Teil einer springenden Menge, Arme, die einen rhythmisch auf den Hinterkopf trommeln und selbst trommelt man auf den, der vor einem steht, trifft mit den Absätzen die Zehen desjenigen dahinter und wird getroffen, aber das macht nichts in dem Moment, wir sind eins. F-F-F-Falling bricht los und dann kommt endlich das obligatorische In The Shadows, das Lauri mit den Worten einleitet: You all know that. Ich höre mich selbst nicht mehr mitsingen, weil der Sound eine einzige Kugel ist und er dringt durch alles. Das letzte offizielle Lied. Lauri hat für das Publikum einen, so pathetisch das klingt, liebenden Blick. Er ist nicht der König, der sich von seinen Untergebenen feiern lässt und der sich vor die Musik drängt, er bleibt hinter den Liedern. Die Stimmung auf der Bühne ist extrem ruhig, trotz der Energie, die durch die Musik freigesetzt wird, man wird das Gefühl nicht los, dass die Band, die sich seit 1994 besteht, inzwischen perfekt eingespielt ist.
Bevor sie abgehen, bittet Lauri einen der Mitarbeiter, ein Foto von der Band vor dem Publikum zu machen, dann verschenkt Aki Schlagzeugsticks und hat sichtliche Freude daran. Als sie weg sind, fordert das Publikum nach einer Zugabe, und weil ich vorher die Setlist fotografierte (ich stand ja super, hab ich das erwähnt? Vierte Reihe. Beinahe auf der Bühne) wusste, ich, dass noch drei Songs folgen würden. Sie spielten wirklich all, Sky, Living In A World Without You und vor dem letzten Lied verabschiedeten sie sich und bedanken sich für den schönen Abend. Lauri wünschte allen Müttern noch einen schönen Muttertag, I’m A Mess bildete den Abschluss und Aki verschenkte noch einmal die letzten beiden Sticks und seine Wasserflasche, deren Inhalt ich zu spüren bekam.
Vor der Bühne blieb die Fanbase und wartete darauf, dass die auf den Boden geklebten Setlisten verteilt werden, der Rest stand in Gruppen beieinander und redete durcheinander. Es war schön, beinahe zwei Stunden Konzert und eine geniale Show. Kiitos The Rasmus!