- Grå
Im Wörterbuch steht unter grå „som har en farge mellom svart og hvit“. Dabei ist das Spektrum dessen, was zwischen Schwarz und Weiß liegt, doch unendlich.
Der Tag ist grau. Das heißt, weiße Wolken machen den Himmel aus und die Stadtfarben bleiben gedeckt. Nur der Boden glänzt vom Regen und von der feuchten Kälte, die auf allem liegt, auf den Dächern und den Autos und den Straßenbahnen.
(Graue Tage sind angenehm für die Augen, weil man nicht von der Sonne geblendet wird. Graue Tage sind introvertiert und unauffällig und wie Freunde, die man zufällig trifft und nach dem Verabschieden bemerkt, dass man gar nicht gefragt hat, wie es ihnen gehe.)
Im Wörterbuch steht unter grå außerdem noch: „skya, trist, fargeløs“.
Im Møllerveien hat sich eine Gruppe unter dem Wartehäuschen der Busstation versammelt. Die zufällige Gesellschaft akzeptiert mehr Nähe als unter anderen Umständen, daran ist der nasse Wind schuld. Außerhalb steht einer mit Zigarette und verdreckten Jeans. Die wandelnde Metapher hat den überfüllten Wartehäuschenschutz freiwillig verlassen und hustet Rauch aus.
2. Hvit
Wörterbuch: hvit; el kvit: „med samme farge som nyfallen snø„. Neuschneefarben. Der Duden ist weniger poetisch und sagt: von der hellsten Farbe. (Er wird sogar wissenschaftlich und doziert: alle sichtbaren Farben. Kompliziert.)
Anfang April trägt das Sognsvann in der nördlichen Osloer Marka noch eine dicke, brüchige Eisschicht. Das Eis hat die selbe Farbe wie der Himmel: hvit og grå.
Um den See führt ein planierter Wanderweg, nur dass nicht gewandert wird. Mit gemütlichem Schritt ist man ein Hindernis, das umlaufen wird, die Schnellen begegnen einem mehrmals. In ihren bunten Trainingsdressen verschwinden sie auch die nahen Waldwege hinauf, knirschen über die Schotterwege und dehnen nachher vor dem Kiosk ihre Sportglieder. Für die Schönheit von winterbraunem Gras am Ufer haben nur die Kinder Augen, die treten es in die Eislacken.
Weil ich nicht laufe, sondern spaziere, habe ich Zeit, den Birkenwald anzusehen. Der steht zum Teil im Schmelzwasser, schwarzweiße Birkenstreifen mit nassen Füßen. Kommt man näher, saugt der Boden an den Sohlen.
3. Dyster
(Ordbok erklärt: „lite eller ikke opplyst“ und schlägt des weiteren vor: trist, tungsindig, mørk und melankolsk.)
Die Farbe des Wassers hängt zu fünfzig Prozent von seiner Sauberkeit und zu fünfzig Prozent vom Himmel ab. Vielleicht stimmt das Verhältnis so aber auch gar nicht. Auf jeden Fall schlägt einem der Fahrtwind entgegen, steigt man auf das Deck des Øybåt und das Rauschen überdeckt die Stille ringsumher.
Die wenigen Touristen sind die einzigen, die den Bauch der Inselfähre verlassen. Sie machen Bilder mit Sturmfrisur, dann drängen sie wieder zurück in das tief wummernde, geheizte Innere des Bootes. Die Hovedøya, Bleikøya und Nakholmen ziehen an den Fenstern vorbei, die bunten Hütten auf ihren Rücken in die sonst graustufige Landschaft geduckt.
4. Blå
Am Kopf der Operninsel sitzen zwei und lassen die Beine baumeln. Es muss ihnen nass durch die Hosen gehen, der weiße Marmor ist regenfeucht. Von den Scheinwerfen, die in den Boden eingelassen sind, verdampft das Wasser in weißen Kringeln. Vom Fjord her kommt nichts; kein Wind und keine Möwenrufe.
Man hat das Gefühl, der Sonnenuntergang zieht sich ewig hin. Der Himmel schattiert sich vom stählernen Weiß zu einem electric blue, das lange über der Stadt hängt. Mit den Lichtern an der frischen Skyline der Dronning Eufemia Gate ergibt sich die Kulisse zu einem Tanzfilm der Sechzigerjahre; nur dass die Tänzer fehlen. Hier ist niemand, der das Bild stören könnte.