„Wir“ und „Gesellschaft“ sind seltsame Scheinworte, die in Artikeln und Reden auftauchen, um eine nicht näher definierte Ansammlung und Menschen und Ideen zu umreißen. Aber stellt man sie auf den Kopf und schüttelt ein wenig, fällt nichts heraus aus den abgegriffenen Hüllenworten. Und nach diesen warnenden Worten ein Satz, der zu Beginn dieses Textes eigentlich hätte stehen können: Wir leben in einer Überflussgesellschaft. Einer Wegwerfbande. Einer Nichtswertschätzersippe. Einer Vergeudermeute. Wir kaufen und schmeißen weg und schieben von uns, was unsere Wohnungen anfüllt. Und trotz der betretenen Mienen, das Angebot ist so groß, dass das Alte seine Existenzberechtigung schnell einmal verspielt.
Dann aber gibt es Orte, an denen sich die zweite Wahl stapelt und an die Menschen pilgern, um das Weggegebene, Unbrauchbare, Ausgediente zu untersuchen. Flohmärkte, Second Hand Shops, Caritas, Humana und Volkshilfe. Eine besondere Oase der zweiten Wahl ist der 48er Basar, die Schatzkammer der Mistkübler. Seit 1989 werden Gegenstände, die auf den Müllplätzen der MA 48 landen, aber weiterhin gebraucht werden können, in den alten Backsteinbauten günstig verkauft.
Von außen erinnert der Gebäudekomplex in der Stadtlauer Straße an kalte russische Winter und Krähen, die sich in der Dämmerung in Baumkronen scharen. Ein alter Ziegelbau mit meterhohen Fenstern und gemauerten Schornsteinen, drinnen heller, mit Halogenlampe ausgeleuchtet und staubig.
Durch eine Gitterschleuse kommt man hinein in die Grotte, deren Inneres so eifrig bewacht wird und wird vom Geruch von alter Elektronik, Kinderspielzeug, Porzellantassen und Pelzmäntel empfangen. Es sind viele Geschichtenerzähler, die hier ihr Zwischenasylum abwarten, es sind die braunen Sprünge in den Tellern, die abgeschlagenen Ecken, abgerissenen Knöpfe, die ausgefransten Schutzumschläge, Staubschichten, Lippenabdrücke, Ellbogenbeulen, Fingerspuren. Dazwischen einige Gegenstände, die wie reinrassige Collies in einem Tierheim ihre Dasein fristen, neu und glänzend, aber wahrscheinlich haben sie gebissen. Wahre Schatzsucher haben ein Auge für sie, fischen sie zielstrebig aus dem Gerümpel und nehmen sie fest unter einen Arm, während sie weitersuchen, zahlen am Ausgang einen lächerlich kleinen Betrag und erzählen dann am Mittagstisch, was sie gefunden haben. Die Kuriositäten offenbaren sich auf den ersten oder zweiten Blick und bleiben meistens länger, bis sich ein Liebhaber ihrer erbarmt, und sie zwischen den Kätzchenbildern und Vogelkäfigen hervorhebt.
Öffnungzeiten: Dienstag bis Samstag von 9 bis 15 Uhr
Ort: 22., Stadlauer Straße 41a, Hof 3, Tor 5