Meine teure Aussicht ist ausgewaschen und klar, bis über die Stadtgrenzen hinaus. Ich bleibe bei ihr stehen und sehe den Enten zu, die am Akerselva-Ufer im nassen Gras liegen. Dann packe ich den Koffer fertig.
Die Wehmut darüber, dass ich in einigen Stunden wieder zum Flughafen muss, macht den Kaffee schal, die Orangenmarmelade fad und mein Brunost Knekkebrød spröde. Ich esse langsam und untersuche derweil den Stadtplan.
Meine Aussicht hat mir jeden Tag das Norsk Design og Arkitektur Senter vorgehalten und am letzten Tag schaffe ich endlich den Sprung über den Fluss hinüber. Ich stehe schon vor der Tür, als geöffnet wird und drinnen riecht es nach frischem Kaffee.
Dann beschließe ich, politisch zu werden, zumindest passiv. Darunter verstehe ich, im Storting zu sitzen und dem Tagesprogramm zuzuhören. Der Parlamentssaal ist ein Prunkraum aus Gold und Rot und keltischen Knoten in den Deckenmalereien. Ich sitze oben in der Galerie und unten stellt sich Erna Solberg der spørrtime. Die Staatsministerin ist in ihrem blauen Kostüm eine beachtliche Erscheinung. Es geht um Asylsucherzahlen und um Arbeitslosenquote und meine Augen kratzen vor Müdigkeit, weil die Nachtstunden kurz waren. Siv Jensen sitzt in der Nähe, wippt mit den Stöckelschuhfüßen und ist, im Gegensatz zu den meisten anderen im Raum, nicht mit ihrem Handy beschäftigt. Nachher gibt es ein Pressetreffen, das sehe ich durch die geeisten Fenster am Weg hinaus. Wahrscheinlich komme ich heute ins Fernsehen, wie ich hinter Erna als seltsam umrissener Geist mein Gesicht gegen die Scheibe halte.
Natürlich muss ich noch einmal zum Meer hinunter. Am Weg hin komme ich am Filmmuseum vorbei und kehre kurz ein. Das nächste Mal komme ich mit mehr Zeit wieder, so rausche ich an Laterna Magicas und Filmplakaten aus den 20ern vorbei, ohne lang genug hinzusehen.
Von weitem stimmt mich die Oper wieder freudig, meine geliebte Marmorinsel. Aber als ich näher komme, sind die Drehtüren noch geschlossen und vor dem Eingang hat sich ein speziell gekleidetes folk versammelt, das auf den Einlass zum Oslo Runway AW 16 wartet.
Ich verlasse die spannende Hipster Bonanza und wandere die Hafenpromenade weiter. Vom Fjord her fehlt heute der Wind und die drei, vier Grad sind ein ideales Spazierwetter, wenn man mit Mantel und Wollmütze unterwegs ist.
Da liegen tolle Schiffe vertäut und wenn ich mich mit Schiffen auskennen würde, würde ich vielleicht mehr Fotos machen und über das eine oder andere einen kleinen Nerdgasm loslassen. So sehe ich aber nur große und kleine Schiffe, Schiffe, die nach Wachen und Verteidigen oder nach helgetur aussehen.
Dahinter liegt das Meer still und glatt unter dem wieder weißen Himmel. Ich bleibe am Promenadenufer stehen und denke an gar nichts.
Als es Zeit ist zu gehen, hat sich die Müdigkeit in Resignation und verkehrtes Heimweh verwandelt.